Nachhaltig tot (German Edition)
irgendwelche wichtigen Termine, als ihr Kollege war er in der Bank hochgeschätzt und - weil vollkommen integer - auch für größere Kreditvergaben an Firmen zuständig. Sie kannte ihn seit Jahren und wusste, dass er sie verehrte. Das genoss Ellen natürlich sehr, nie hätte sie ihm gesagt, dass sie ihn sterbenslangweilig und öde fand. Als er von ihren Heiratsplänen erfuhr, wurde er sehr zurückhaltend und sprach nur mehr noch selten mit ihr.
Sie bemerkte das kaum, denn neben den Hochzeitsvorbereitungen taten sich auch in der Bank sehr spannende Dinge. Eine Fusion stand an, sehr hochkarätig, sehr zukunftsträchtig, sehr lohnenswert und sehr, sehr geheim. So geheim, dass selbst in der Bank niemand genaue Namen kannte. Das Geheimprojekt hatte in der Bank einen Geheimnamen: Traumhochzeit. Der große Energiekonzern SFA, der den kleinen übernehmen würde, musste natürlich geheim halten, dass man dabei war, große Anteile der Aktien vom kleineren, auf Nachhaltigkeit setzenden Unternehmen SGE aufzukaufen. Für die Trader war das Routine, sie fand es sehr aufregend.
Als ausgerechnet sie das mickrige, schmutzige Geheimnis entdeckte, dass SGE in die Lage versetzte, ihren Strom so billig abgeben zu können, konnte sie das zunächst nicht glauben. Natürlich redete sie abends viel mit Felix, aber nie über Bankgeheimnisse. Wegen der Hochzeitsplanung gab es schließlich genug zu diskutieren. Aber Felix ließ sie nun mal gerne an seinem Wissen über den Energiemarkt teilhaben. Auch wenn sie manchmal ein Gähnen unterdrücken musste, so versuchte sie doch, ihm aufmerksam zuzuhören. So erfuhr sie, dass der Umsatzsteuerbetrug mit Emissionen gerade abgelöst wurde vom gleichen Phänomen beim Strom- und Gashandel. Da das ein relativ neues Geschäftsfeld war, waren die kriminellen Strukturen schwer zu entdecken. Man brauchte bloß eine Kette von Unternehmen, die den Strom weiter- und weiterverkauften. Hatte eines davon seinen Sitz im Ausland, dann wurde das Ganze noch schwerer nachvollziehbar. Geplant und eingerechnet war, dass eine der Firmen in der Kette dann die Umsatzsteuer nicht abführte. Die trotzdem verrechnete Vorsteuer wurde dazu benutzt, den Strom zu verbilligen – und das war im hart umkämpften Markt ein deutlicher Vorteil. Oft war der Letzte in der Reihe dann wiederum ein seriöses Unternehmen, das nicht in den Betrug eingebunden war. Eigentlich, so erklärte Felix, war es nicht so wahnsinnig schwer, einen solchen Plan zu erkennen. Im Moment hielt einfach niemand eine neu gegründete Firma im Ausland, die in ein Netz von Strom verkaufenden Unternehmen eingebunden war, für verdächtig. Nicht einmal, wenn sie innerhalb von Monaten Millionenumsätze machte.
Ellen entdeckte die kleine französische Firma ROU beim Kopieren der vielen Unterlagen für die Übernahmeschlacht. Alle benötigten Aktien waren gekauft, der Kampf an der Börse eröffnet. Der Riese hatte schon beinahe gewonnen, der Kleine hatte so gut wie keine Chancen. Und der große Konzern brüstete sich bereits in der Presse mit der resultierenden umweltfreundlichen Stromstrategie, die man demnächst verfolgen würde.
Alles, was den Deal jetzt noch platzen lassen könnte, wäre ein Rücktritt des Energieriesen vom Kauf, Ellen begann zu lächeln, ein Imageschaden wegen Umsatzsteuerbetruges würde besonders die Führungsriege der kleineren SGE treffen. Auch die Hauptaktionäre würden nicht sehr begeistert sein, wenn die Katastrophe eintreffen und der Große im letzten Moment sein Kaufangebot zurückziehen würde. Ellen dachte nicht lange nach. Natürlich hatte sie als Vorstandssekretärin der Bank beste Verbindungen zur Vorstandssekretärin des Energiezwerges. Sie ließ sich direkt mit dem Vorsitzenden verbinden. Zu dessen Überraschung wollte allerdings sie mit ihm sprechen und nicht ihr Vorgesetzter.. Das Gespräch dauerte nur fünf Minuten. Sie erklärte klar und bestimmt, was sie gerne hätte, und was sie dafür bieten würde. Schweigen konnte sie schließlich hervorragend.
Das Geld floss einen Monat später. Sie wusste genau, wo man es verstecken konnte, damit es niemand entdecken würde.
Und dann wurde Jakob aufmerksam. Er trieb sich wieder häufiger in der Nähe ihres Schreibtisches herum. Vielleicht dachte er, bevor sie heiratete, würde sie noch einmal gerne über die Stränge schlagen. Als er beim Betriebsfest am Bootshaus dann versuchte, sie zu küssen, wurde Ellen so wütend, dass sie ihm zum ersten Mal deutlich sagte, was sie wirklich von
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