Nachhaltig tot (German Edition)
ihm hielt. Er bekam schmale Augen und äußerte mit sehr leiser Stimme: „Das wirst du bereuen …“. Er nahm Haltung an und verließ das Fest. In den darauf folgenden Tagen sah er sie nicht einmal an.
Als sie eine Woche später von der Mittagspause wiederkam - wieder mal vollkommen gestresst, weil die Brautschuhe nicht in der Farbe bestellt worden waren, die sie brauchte, weil das Muster für die Blumendekoration nicht ihren Vorgaben entsprochen hatte und weil der Caterer nicht erreichbar war –, stand Jakob seelenruhig von ihrem Schreibtisch auf, sah sie an und ging langsam weg. Als sie bemerkte, dass die abschließbare Schublade geöffnet war, überlegte sie fieberhaft, ob er etwas entdeckt haben könnte.
Zwei Tage später wusste sie es: Er hatte nicht nur die Unterlagen bezüglich der ROU entdeckt, sondern wusste auch von dem Geld. Es war keine gute Idee gewesen, die Dokumente zunächst in der Bank zu lassen, aber sie hatte noch keinen Platz gefunden, der ihr sicherer erschienen war.
„Ich werde diesen Vorfall unseren Vorgesetzten melden, und den Behörden. So jemand wie du gehört hier nicht hin. Du gehörst ins Gefängnis. Ich hätte nie gedacht, dass jemand mich so täuschen kann …“, er war bleich vor Empörung und Erschütterung. „Ich gebe dir einen Monat lang Zeit, dich selbst zu stellen und zu kündigen. Danach ist es zu spät, dann wirst du alles verlieren. Dein Mann wird dich sicher gut finanziell versorgen“, seine Stimme triefte vor Sarkasmus und verletztem Stolz.
Noch einen Monat, meine Güte, in einem Monat ist die Hochzeit, die Gedanken wirbelten in ihrem Kopf herum, jetzt nur nicht losheulen, mir wird schon was einfallen, dachte sie bei sich.
Drei Tage später bat sie Jakob um ein Gespräch. „Du hast vollkommen recht; ich weiß überhaupt nicht, was ich mir dabei gedacht habe, ich arbeite doch so gerne hier, das ist doch mein Leben. Jakob, lass mir nur ein wenig Zeit, dann bespreche ich mit dir, wie ich alles angehen werde. Es tut mir alles so leid. Und um dir zu zeigen, wie ernst ich es meine, habe ich eine große Bitte an dich: Verzeih mir bitte und werde unser Trauzeuge. Am Donnerstag geben wir bei uns zu Hause ein Abendessen mit Freunden, sei doch bitte mit dabei, Jakobus, bitte.“ Jakob sah grimmig aus, er wusste nicht recht, ob er ihr Glauben schenken sollte. Aber als sie dann die Tränen fließen ließ, lenkte er ein und strich ihr sogar unbeholfen über den Rücken. Ellen wollte instinktiv sofort seine Hand abschütteln, ließ es aber sein und zwang sich sogar zu einem Lächeln und einem gehauchten Danke durch. Jetzt hatte sie erst einmal Zeit gewonnen, ihr würde schon etwas in den Sinn kommen. Und ihr würde auch noch einfallen, wie sie Felix erklären könnte, warum Jakob am Donnerstag zum Abendessen der Freunde und als zusätzlicher Trauzeuge erscheinen würde.
Und am Donnerstagabend wurde alles plötzlich ganz einfach. Als sie den Tisch deckte - der Caterer hatte ausgezeichnetes Essen geliefert - hörte sie das Telefon läuten. Gleichzeitig klingelte aber Felix an der Wohnungstür, er hatte Wein mitgebracht. Als sie Felix die Tür öffnete und ihn mit einem Kuss begrüßte, hörten beide, wie Jakob seine Absage auf den Anrufbeantworter sprach: „Es tut mir sehr leid, aber unsere Besprechung hat länger gedauert als geplant. Ich habe mein Flugzeug verpasst. Ich werde es nicht rechtzeitig schaffen. Seid mir bitte nicht böse, der Termin hier war sehr wichtig. Natürlich seid Ihr mir auch sehr wichtig, aber es geht nicht anders. Ich melde mich, sobald ich es schaffe, Euer Jakobus.“ Plötzlich wurde Ellen ganz klar, was sie zu tun hatte. Jakobs Stimme auf dem Anrufbeantworter hatte ihr eine Antwort geliefert.
Zwei Tage vor der Hochzeit war Felix planmäßig bei seinen Eltern zur Übernachtung einquartiert, sie hatte die Wohnung für sich. Am späten Abend rief sie Jakob völlig aufgelöst an: „Lieber Jakobus, ich muss dich unbedingt treffen. Ich glaube, ich bekomme kalte Füße, ich kann nicht heiraten. Ich brauche dringend jemanden zum Reden. Kannst du zum Bootshaus am See kommen, dann machen wir einen Spaziergang, bitte hilf mir.“ Natürlich sagte er sofort zu.
Sie saßen eine Stunde lang am Ufer auf der Picknickdecke, die sie zusammen mit einer Flasche Sekt und Käse mitgebracht hatte. Jakob genoss seine Rolle als ihr Vertrauter so sehr, sie konnte ihre Verachtung nur mühsam verbergen. Es war so einfach, ihm etwas vorzuspielen. Als das Seeufer einsam dalag
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