müssen ganz von vorn anfangen, denn offensichtlich hat Blythe in den Stunden nach Alices Entführung alles darangesetzt, Beweise zu vernichten und die Untersuchung zu sabotieren.«
»Woran denkst du?«
»Wir müssen versuchen, Alices Handy zu lokalisieren.«
»Uns fehlt die Technik dafür. Das ist Polizeiarbeit.«
Jonathan schüttelte den Kopf.
»Mit dem Ansteigen der Handydiebstähle empfehlen viele Firmen ihren Kunden, die Funktion ›Ortung auf Distanz‹ zu aktivieren. Wenn das Smartphone von Alice relativ neu ist, müsste es über diese Option verfügen.«
Madeline meinte zweifelnd:
»Wir kennen nicht mal ihre Nummer …«
»Das Ganze funktioniert nicht über die Nummer, sondern über die Mailadresse.«
Jonathan drehte den Laptop zu sich her und verband sich mit der Seite »mein Smartphone orten«. Um das Gerät zu lokalisieren, musste er tatsächlich die Adresse der elektronischen Post wie auch das damit verbundene Passwort eingeben.
»Wir haben weder das eine noch das andere. Damit wäre das Problem geregelt«, knurrte Madeline, die ihm beim Schreiben zusah.
Diesmal hob Jonathan die Stimme.
»Dürfte ich wissen, warum du an jeder Idee von mir herummäkeln musst?«
»Weil wir damit nur Zeit verlieren – für nichts und wieder nichts!«
»Du scheinst vergessen zu haben, dass es mir zu verdanken ist, dass wir Blythe entlarven konnten!«
»Aber es ist auch dir zu verdanken, dass ich sie erschießen musste!«, erwiderte sie vorwurfsvoll.
Das war es also. Die Schuldgefühle, die an Madeline nagten, führten zu einem erneuten Schlagabtausch. Jonathan versuchte, sie zur Vernunft zu bringen.
»Wie hattest du dich noch mal ausgedrückt? Wenn dieser Kerl tot ist, gibt es einen Schuft weniger auf der Welt … Hör zu, egal, was geschehen wäre, eines ist sicher: Blythe hätte uns niemals verraten, wo Alice gefangen gehalten wird.«
»Wenn das dein Gewissen erleichtert …«
»Was mein Gewissen erleichtern würde, wäre, wenn du mir hilfst, Alice zu finden!«
Als sie mit dem Finger auf ihn deutete, um ihm einen neuen verbalen Hieb zu verpassen, wurde ihr plötzlich klar, dass er nicht ganz unrecht hatte.
»Mist! Wir streiten ja wie ein altes Ehepaar!«
Sie beugte sich näher zum Bildschirm vor.
GEBEN SIE BITTE IHREN BENUTZERNAMEN EIN
»Also gut, Sherlock, hast du eine Idee?«
»Wir können es mit einem Hotmail-Konto oder einem Gmail-Konto versuchen«, schlug Jonathan vor. »Oder warum nicht das Konto ihrer Schule?«
Von der Idee mit der Schule begeistert, öffnete Madeline ein neues Fenster, um sich mit der Seite der Juilliard School zu verbinden. Allem Anschein nach hatten Lehrer, Personal und Studenten ein E -Mail-Konto unter der Grundform:
[email protected].
GEBEN SIE JETZT BITTE IHR PASSWORT EIN
»Da muss ich passen«, gestand Jonathan.
»Moment mal! Und wenn sie ihr altes behalten hat?«
»Du meinst das, das sie mit vierzehn Jahren benutzt hat?«
»Das machen viele, oder? Ich jedenfalls habe meines seit einer Ewigkeit.«
»Und das wäre?«
»Mind your own business!«
»Los, sag schon!«
»Kommt nicht infrage!«
»Bitte!«
»Violett1978« , sagte sie seufzend. »Jetzt muss ich es dann wohl ändern …«
»1978, ist das dein Geburtsjahr?«
»Ja, warum? Wie alt hast du mich geschätzt? Älter, jünger?«
Er antwortete mit einem Lächeln, heilfroh, dass sie wieder zu ihrer Vertrautheit gefunden hatten.
»Wie lautete noch mal das von Alice?«
»Heathcliff, der Protagonist in Sturmhöhe , einem Roman von Emily Brontë.«
Jonathan gab das Passwort ein.
»Drück die Daumen«, sagte er und betätigte die Entertaste.
Der Computer arbeitete mehrere Sekunden, in denen sie sich mit einer Mischung aus Angst und Ungläubigkeit ansahen. So einfach konnte das doch nicht sein. Von Anfang an war das Glück nicht auf ihrer Seite gewesen, alles war fehlgeschlagen, nichts war ihnen gelungen. Die Hindernisse hatten sich gehäuft und waren jedes Mal unüberwindlicher geworden. Es konnte nicht plötzlich so einfach sein.
Und trotzdem war es das.
Eine Karte von Manhattan erschien auf dem Bildschirm, und ein blauer Punkt, umgeben von einem Kreis, begann zu blinken. Das bedeutete: Alices Handy befand sich nicht nur in New York, sondern keine drei Kilometer von hier entfernt!
Sie sprangen mit einem Freudenschrei auf, sodass die wenigen anderen Gäste sie überrascht ansahen. Innerhalb von zwei Minuten hatten sie neue Hoffnung geschöpft.
Jonathan beugte sich