Nachrichten an Paul
and set me free ...
“Sag mal, übersetzt du eigentlich?”, sagt Clara plötzlich.
„Steckdose und Verlängerungskabel müssen einen funktionsfähigen Schutzleiter besitzen“, sage ich.
„Vielleicht sollten wir mal Kaffee trinken fahren“, sagt Clara.
In diesem Moment kommt Miguel Moreira in den Hof gefahren. Er parkt sein Auto, einen dunkelblauen Oktavia, und steigt aus. Clara dreht sich um und ist sichtlich beeindruckt.
„Und wer ist das?“, sagt Clara.
„Das ist Miguel Moreira“, sagt Miguel.
„Sie sprechen ja deutsch“, sagt Clara, weil ihr im Moment nichts Schlaueres einfällt und da sieht man mal, dass es selbst Clara die Sprache verschlagen kann.
„Hab ´ne Hörkassette im Auto“, sagt Miguel. „Deutsch in dreißig Minuten.“
„Gibt es dazu auch das portugiesische Gegenstück?“, sagt Clara, die ihre Sprache offensichtlich wiedergefunden hat.
Miguel lacht.
„Studium in Berlin, Architektur“, sagt Miguel. Er streckt seine Hand aus, um Clara zu begrüßen. „Sehr erfreut.“
„Ebenfalls“, sagt Clara und schüttelt seine Hand.
Dann kommt Miguel zu mir und drückt mir ein Päckchen mit Kuchenstücken in die Hand. Er gibt mir ein Küsschen rechts und links, portugiesische Begrüßung, aber er hält dabei Abstand.
„Sag mal, Anna“, sagt er. „Kann ich für ein paar Tage bei dir wohnen, ich habe einen Auftrag hier in der Gegend.“
„Aber klar“, sag ich.
Und nun sind wir plötzlich eine Dreier-WG.
*
Nach drei Tagen muss Clara wieder nach Hause, sie hat einen Termin beim Zahnarzt und sie hofft, der Baulärm ist vorbei, denn irgendwann müssen sie mit der Wohnung ja mal fertig sein. Wir gehen abends alle drei essen. Wir gehen in den Thermen zu Ti Joaquim, ein Restaurant mit richtig viel Geschirr und Gläsern und Stoffservietten. Miguel hält uns die Tür auf und benimmt sich auch sonst wie ein echter Gentleman. Und das Ganze noch dazu mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen. Es ist ein total netter Abend. Danach gehen wir noch auf einen Kaffee und einen Portwein ins Bon d`Jau, das ist mein Lieblingscafé. Es ist voll wie immer und Irina, meine Lieblingskellnerin, winkt mir nur kurz zu, statt zu klönen, denn erstens bin ich in Gesellschaft und zweitens muss sie ziemlich viel rennen. Weil so viel los ist.
Wieder zu Hause sehen wir nicht eine von unseren romantischen Komödien und schon gar nicht den Lehrfilm, weil der ja nichts für Männer ist, die wissen das ja schon alles, sondern schlicht und einfach einen Tatort. Da können wir alle mit leben. Bis auf das Opfer vom Tatort natürlich.
Ehe ich ins Bett gehe, checke ich noch meine E-Mails und gehe noch kurz bei Facebook auf die Seite (das ist krank, ich weiß, dass das krank ist. Ich bin jetzt Single. Ich hoffe, das gilt als Entschuldigung). Keine Nachricht von Paul. Dafür eine E-Mail von Clara aus dem dreißig Meter entfernten Gästehäuschen: Wenn du ihn nicht willst, nehme ich ihn. Nein, mache ich natürlich nicht. Wollte dich nur mal anstupsen. Ein Smiley, ein Winken, ein Gute-Nacht.
Am nächsten Morgen steht Clara bei mir im Arbeitszimmer und wir sind beide ganz traurig, dass es vorbei ist. Wir müssen das wiederholen, unbedingt und auch nicht erst sonstwann, sondern bald mal.
„Schade, dass ich nicht auf Frauen stehe“, sage ich. „Da würde ich jetzt anfangen mit dir zu flirten.“
„Ich weiß“, sagt Clara. „Geht mir ganz genauso.“
Jetzt denken wir beide an damals und an unsere feministischen Zeiten und an die aufgeklärte Lektüre, die wir auf den Tischen zur Frauenwoche ausgelegt haben und daran, dass wir alle ein bisschen dachten: So eine Frauenbeziehung wäre doch eigentlich viel schlauer als eine Beziehung zu einem Mann. Wäre sie vermutlich auch, aber was sollen wir machen. Ist eben einfach nicht.
„Vermutlich brauchen wir die Männer eben doch“, sage ich.
„Ja“, sagt Clara. „Schon zum Glühbirnenwechseln.“
„Und zum Müllraustragen“, sage ich.
„Und zum Reifenwechseln“, sagt Clara.
„Und wer nimmt die Mäuse aus der Mausefalle, wenn kein Mann da ist?“, sage ich.
„Ein klare Männeraufgabe“, sagt Clara und ich nicke.
Tja die „eine Frau ohne Mann ist wie ein Fisch ohne Fahrrad Zeiten“ sind ganz offensichtlich vorbei. Natürlich kann man als Fisch ohne Fahrrad leben, das ist gar keine Frage, aber mit Fahrrad ist es eben einfach schöner, das finden auch die meisten Fische. Denn wer soll sonst die Mäuse fangen, wenn nicht das Fahrrad. Oder so
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