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Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Titel: Nachrichten aus einem unbekannten Universum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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der Erde zusammen führen. In völliger Stille und Lichtlosigkeit fallen wir tiefer und tiefer und fragen uns, ob wir den Aufprall auf dem Grund des Beckens heil überstehen werden. Noch einen Aquavit? Doch da meldet sich schon die freundliche Stimme des Navigationssystems:
     
    AUFPRALL IN 100 METERN. BITTE KURZ VORHER SCHARF BREMSEN UND PARALLEL ZUM MEERESBODEN WEITERTREIBEN
     
    Leichter gesagt als getan. Mit kribbelnden Bäuchen sind wir bis in 2,5 Kilometer Tiefe gelangt. Aber plötzlich geht alles wie von selbst, und wir landen in einem Pool mit eiskaltem Wasser, treiben dicht über dem Meeresgrund dahin und schwappen über den unterseeischen Gebirgszug zwischen Grönland, Island und Schottland. Dahinter geht es abwärts wie auf einer Rutschbahn, vorbei an rissigen, erstarrten Lavafeldern und hinweg über wüstenartiges Sediment. Unwirtlich ist diese Gegend, doch sie wird noch viel unwirtlicher, wenn wir erst mal tief im Süden sind. Also zurücklehnen und entspannen. Hören wir etwas leise Musik. Vielleicht Debussy, La Mer? Oder lieber was Zeitgenössisches, Phil Phillips, Sea of Love?
    Vor uns liegt wieder Neufundland, zu unserer Rechten diesmal. Nutzen wir die Zeit, um die zweite der vier Wasserarten kennen zu lernen, mit der wir nun dahintreiben. Es ist das so genannte Bodenwasser, das getreu seinem Namen über die schlierigen Abyssale des Nordatlantiks fließt. Genauer gesagt ist es Oberflächenwasser, das zu Bodenwasser wurde. Im System der Meeresströmungen nimmt jeder Wasserpartikel im Laufe der Zeit jede Position ein. Erneut begegnen wir dem Labradorstrom, dessen Wasser uns Gesellschaft leisten, denn diesmal hat er die gleiche Route wie wir. Er mischt sich in unser Umfeld, weniger kalt und salzig als unser Bodenwasser, sodass sich ganze Stränge davon abtrennen und höher wandern, in eine Art Zwischengeschoss. Im Tiefenwasser — das ist die dritte Art — sind wir nun nach Süden unterwegs. Hoch über uns zieht die Enge von Gibraltar vorbei, und wir erhalten Besuch: warme, extrem salzige Wasserwirbel, die dem Mittelmeer entstammen und gleich fliegenden Untertassen aus der Meerenge zwischen Spanien und Marokko schweben. Sie schließen sich uns an, alles Wasser vermischt sich, und weiter geht unsere Reise, immer noch in beträchtlicher Tiefe, sodass wir ein Schauspiel von atemberaubender Schönheit genießen können:
    Vulkanausbrüche.
    Wir haben den Mittelatlantischen Rücken erreicht, Teil eines weltumspannenden unterseeischen Gebirges mit einer Gesamtlänge von 60.000 Kilometern. Bis zu drei Kilometer hoch ist dieser Rücken, darüber eine Wassersäule von gleicher Höhe. Hier spreizt sich die Erdkruste, bricht sich flüssiges Gestein Bahn und ergießt sich in das endlose Tal, das den Rücken längs spaltet. Mit fünf Zentimetern pro Jahr driftet der Meeresboden auf seiner Reise zu den Kontinenten auseinander. Stockdunkel ist es hier, doch die Lava können Sie sehen. Und keine Bange: Ein Vulkanausbruch in der Tiefsee gestaltet sich weit eleganter als einer an Land. Unter dem kolossalen Druck und bei den eisigen Temperaturen bilden sich zähe, rot leuchtende Seen und Ströme, die durchs Schwarz mäandern. Schnell überziehen basaltene Krusten die Lava. Nach einer Weile glüht es nur noch durch Millionen feiner Risse, bis auch diese sich geschlossen haben. Stellen Sie kurz die Musik ab: Können Sie es hören? Ein dumpfes Knirschen und Brodeln, Geburtswehen neuen Meeresbodens. Jede Menge Leben wird sich im Umfeld der Vulkane ansiedeln, geheimnisvoll und rätselhaft, doch wir treiben höher, verlassen den Rücken und die angrenzenden Wüsten und nähern uns einem gewaltigen Brausen. Hinter uns liegt der Äquator, Afrika haben wir passiert, eine angenehme, ruhige Reise. Doch plötzlich schütteln uns heftige Turbulenzen, jagen unser Tauchboot in die Höhe, und wir müssen uns festhalten, um nicht mit den Köpfen aneinander zu knallen.
     
    ACHTUNG, SIE NÄHERN SICH EINEM KREISVERKEHR. BITTE RECHTZEITIG EINORDNEN UND DEM ZIRKUMPOLARSTROM FOLGEN
     
    Manchmal muss man sich schon fragen, was sich so ein Navigationssystem denkt. Rechtzeitig einordnen! Ebenso gut könnte man einem Fußgänger empfehlen, zur Hauptverkehrszeit gemessenen Schrittes den Place de l’Etoile zu überqueren. Jenseits von Kap Hoorn schießen wir an die Oberfläche und werden in blindwütige Stürme geworfen. Schiefergrau tosende Wellen, über deren Kämmen Schaumgespenster einander jagen, und wir mittendrin. Wir nähern uns der Welt

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