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Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Titel: Nachrichten aus einem unbekannten Universum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Mannschaft Erleichterung breit. Nie zuvor hat man von Walen gehört, die es mit ganzen Schiffen aufnehmen. Die Selbstsicherheit der Männer ist dahin. Jeder ist froh, die unheimliche Begegnung überstanden zu haben. Dieses Tier, munkeln einige, müsse mit dem Leibhaftigen im Bunde sein. Wenn das so sei, orakeln andere, habe das Drama womöglich erst seinen Anfang genommen. Denn den Teufel, das wisse jeder, werde man so leicht nicht los.
    Was folgt, gibt ihnen auf schreckliche Weise Recht.
    Urplötzlich schießt der Bulle aus der Tiefe empor, kommt unmittelbar vor dem Dreimaster an die Oberfläche und prallt erneut gegen die Essex. Unter der Wucht des Aufpralls zersplittert der Bug des Schiffes. Heilloses Durcheinander ist die Folge. Die Männer hasten an die Pumpen, versuchen, das entstandene Leck zu dichten, doch gegen das einströmende Wasser haben sie keine Chance. Mit offenen Mündern müssen die Harpuniere und Ruderer in ihren Booten zusehen, wie das gewaltige Schiff in den Wellen verschwindet, als zöge es eine gewaltige Faust nach unten. Menschen treiben in der Gischt, bemüht, nicht vom Sog der untergehenden Essex mitgerissen zu werden. Andere haben es in die verbliebenen Boote geschafft und sogar einen Teil der Takelage, ein paar Waffen und ein bisschen Proviant retten können. Nun ziehen sie ihre Kameraden an Bord, während der zertrümmerte Walfänger dem Meeresboden zustrebt.
    Wie durch ein Wunder ist die zwanzigköpfige Mannschaft davongekommen. Jetzt allerdings treibt man in winzigen Booten auf dem offenen Meer, einige tausend Seemeilen vom Festland entfernt, nur unzureichend mit Lebensmitteln und Trinkwasser ausgestattet. Eine Hölle tut sich auf, gegen die der Rammstoß des wütenden Bullen wie ein prickelndes Abenteuer anmutet. Nur fünf Männer erreichen 83 Tage später die Küste Chiles, und was sie erzählen, lässt die Zuhörer erschauern.
    Dabei ist man unmittelbar nach der Katastrophe guter Hoffnung.
    Immerhin haben Pollard und Chase die Navigationsinstrumente in Sicherheit bringen können. Doch wohin nun? Pollard will nach Tahiti, Chase vermutet dort Kannibalen und drängt darauf, Chile anzusteuern. Pollard gibt nach, was sich rückblickend als Fehler erweist. Kein Kannibale hätte die Männer angeknabbert, die polynesischen Inseln waren längst missioniert. Nun lernen die Seeleute das grausame Meer kennen, wie es der englische Lyriker Samuel Taylor Coleridge 1798 in seiner Ballade vom alten Seemann beschrieben hat.
     
    Das Schifflein, es flitzte, / der Schaum,
    er spritzte, das Kielwasser folgte im Dreh,
    als erste sind wir / vorgestoßen bis hier,
     in diese pazifische See.
     
    Doch die Winde erstarben, / die Segel verdarben,
    trauriger konnte es nicht sein.
    Unser mühsames Sprechen / konnte nicht brechen
    das Schweigen des Meeres wie Schrein.
     
    An einem Himmel aus glüh’ndem Metall
    stand mittags der blutige Sonnenball,
    er stand wie gewohnt, / so klein wie der Mond,
    am Mast vibrierend im All.
     
    Tage um Tage, Tage um Tage
    lagen wir fest ohne Regung,
    wie ein Schiff auf ’nem Bild / daliegt gestillt
    im gemalten Meer ohne Bewegung,
     
    Wasser, Wasser überall,
    die Planken schrumpfen und stinken,
    Wasser, Wasser überall,
    und nirgends ein Tropfen zu trinken.
     
    Die Tiefe selbst verfaulte — oje,
    wo kommt soviel Hitze her?
    Kreaturen aus Schleim / krochen Bein hinter Bein
    herauf aus dem schleimigen Meer.
     
    Und um uns herum in gespenstischem Reigen
    tanzten Totenfeuer bei Nacht,
    das Wasserflammte / wie das Öl, das verdammte,
    in grüner, blauer und weißer Pracht'.
     
    Einigen zeigte sich im Traum
    der Geist, der uns plagte so sehr:
    Hinterher er uns lief / neun Faden tief,
    aus dem Eis- und Nebelmeer.
     
    Von der furchtbaren Trockenheit
    war jede Zung’ bis zur Wurzel verdorben,
    wir konnten nicht sprechen, / kein Brot mehr brechen,
    unsre Kehlen waren gestorben.
     
    Kaum eine Woche auf See, gequält von Hunger und Durst, müssen die Männer erleben, wie ein Orca Pollards Nussschale attackiert und beinahe umwirft. Auch dieser Attacke trotzen die Männer, dafür bleiben ihre Versuche, Fische zu fangen, weitgehend erfolglos. Henderson Island, ein traumhaft schönes Korallen-Atoll, verspricht Rettung, doch die winzigen Inseln sind schnell geplündert. Drei der Schiffbrüchigen beschließen dennoch, auf dem Atoll zu bleiben und sich dort durchzuschlagen, bis man sie mit Gottes Gnade findet. Die anderen ringen sich zur Weiterfahrt durch. Wieder geht es hinaus auf den

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