Nachrichten aus einem unbekannten Universum
munter, entschlüpfen ihren Felsspalten und lassen sich von ihrer Nase leiten. Weißspitzen-Haie folgen elektrischen Feldern, die von Bewegungen anderer Tiere ausgehen. Großes Zooplankton steigt im Schutz der Dunkelheit auf, kaum auszumachen, es sei denn, man ist ein roter Großaugenbarsch.
Viele der nächtlichen Jäger haben große und gute Augen. Der Barsch wird nicht hungrig bleiben.
Vor allem aber klingelt der Wecker für Millionen und Abermillionen Korallenpolypen.
Nacheinander stülpen sie sich aus ihren Behausungen und recken ihre Tentakelchen. Das aktiv gewordene Zooplankton wird seinen Obolus entrichten müssen. Während es aufsteigt, muss es die Polypengemeinschaften passieren, was Millionen kleiner Krebse und Fische das Leben kostet. Im Gewirr der nesselbesetzten Ärmchen winden sie sich, werden betäubt und den winzigen Mäulern zugeführt. Während sie fressen, sondern die Polypen ihr Kalzium ab, lassen es in die Wohnhöhlen rieseln, und ihre wundersame Welt kann weiterwachsen. Dennoch würden die Riffe verfallen, wüchsen sie nicht so rasant. Schnell ist natürlich relativ: Die Geweihkoralle etwa legt jährlich bis zu 15 Zentimeter zu, andere Arten schaffen im selben Zeitraum einen Millimeter. Doch es reicht, um der Erosion entgegenzuwirken.
Vor allem aber haben Korallen eines: den schönsten Sex der Welt!
Viele Korallen sind Zwitter. Andere hingegen — und zwar jeweils eine komplette Kolonie — sind entweder männlich oder weiblich. Einmal im Jahr nun, fast zeitgleich, wird rund um den Globus gelaicht. Das geschieht so organisiert, als habe jemand einen Plan ausgearbeitet und eine große Versammlung einberufen: »Also, in der ersten Nacht laichen die Hirnkorallen. In der zweiten sind die Feuerkorallen dran, und dass mir die Pilzkorallen nicht wieder dazwischenfunken!« Jeder hält sich daran, soll heißen, gelaicht wird artsynchron.
Bereits zu Beginn des Frühjahrs sind in den Korallendamen die Eier herangereift, winzige, ursprünglich weiße Kügelchen, die im Verlauf ihrer Entwicklung alle möglichen Farben annehmen. Jetzt, kurz nach Sonnenuntergang, vollzieht sich ein phantastisches Spektakel. Gleichzeitig stoßen die Korallen im Riff Millionen und Abermillionen Eier aus — manche alle auf einmal, andere nacheinander —, während die männlichen Kolonien Wolken von Samen freisetzen. Das Wasser steht niedrig, die Chance, dass Eier und Samen zur Befruchtung zusammenfinden, ist entsprechend hoch. Wie schimmernde Perlen steigen die Eier auf. Der Anblick ist überwältigend, von geradezu außerirdischer Schönheit. Den Machern der BBC-Serie Blue Planet ist es erstmals gelungen, das große Laichen zu filmen. Aus den Eiern schlüpfen schließlich medusenähnliche Larven, die einige Tage frei im Wasser treiben, bevor sie sich in einem Riff niederlassen und eigene Kolonien gründen.
Und alles beginnt von vorne.
Kaum eine Welt ist so straff organisiert wie ein Korallenriff. Kaum anderswo werden Ressourcen mit solcher Nachhaltigkeit genutzt. In den nährstoffarmen äquatorialen Wasserwüsten, mitten im blauen Nichts, liegen die vielfältigsten Lebensgemeinschaften des Planeten, Oasen der Biodiversität. Ohne sie würden große Teile der marinen Flora und Fauna für immer verschwinden.
Wir aber verlassen das nächtliche Riff und machen uns auf zur nächsten Etappe unserer Reise. Wir haben nämlich eine Verabredung.
Und zwar mit dem Gulp!
Die Typen mit der großen Klappe
Schnell: Was ist ein Gulp?
Ich habe ein bisschen im Freundes- und Bekanntenkreis herumgefragt: Gulp, was mag das sein? Langes Schweigen. Dann erste vorsichtige Deutungsversuche. Ein Gulp, das ist vielleicht ein kleiner Troll. Oder ein Kobold. Klingt irgendwie kehlig. Vielleicht ist ein Gulp so etwas wie der Weihnachtshasser Grinch oder der glotzäugige Gollum aus Der Herr der Ringe. Wirklich angenehme Assoziationen wollten sich nicht einstellen. Tief im Wald, da wohnt der Gulp. Wer hat Angst vorm bösen Gulp? Invasion vom Planeten Gulp. Und so weiter.
Ich musste einen Tipp geben: Wer hat behauptet, dass Gulp ein Wesen ist?
Aha. Vielleicht ist Gulp ein schlechter Scherz: Sie wollen mich wohl vergulpen, so was in der Art? Nicht? Dann also ein Geräusch. Wer oder was könnte gulpen? Klingt bestimmt fürchterlich: Gulp! Gulp! Oder bedeutet gulpen eher so was wie schlucken? Er nahm einen ordentlichen Gulp, trank Gulp für Gulp sein Bier, der Drache machte Gulp, und weg war die Prinzessin.
Gut, sagte ich. Sehr gut. Jetzt
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