Nachrichten aus einem unbekannten Universum
Weißhai. Man kann nicht anders, als die Filmaufzeichnungen mit hängender Kinnlade zu betrachten. Der Weiße kommt dicht ans Schiff, steckt den Kopf aus dem Wasser, und Ritter tätschelt ihm die Nase. Das ist der Riese nicht gewohnt. Verwirrt zieht er sich zurück, kommt beinahe schüchtern wieder und will weiter getätschelt werden. Minutenlang geht das so. Ich habe die Freude, Ihnen mitzuteilen, dass Dr. Ritter unverändert im Besitz seiner Hand ist. Wie der Hai über die Sache dachte, lässt sich nur vermuten — unangenehm war es ihm jedenfalls nicht.
Auch untereinander können Haie liebevoll sein. Da wird schwer geturtelt. Ähnlich wie Wale suchen die Weibchen geschützte, angenehm temperierte Buchten und Lagunen auf, um dort entweder Eier zu legen oder lebende Junge zu gebären (Haie gebären je nach Art unterschiedlich). Die Kleinen wachsen nur langsam heran, sind aber früh auf sich gestellt. Erst mit etwa 30 Jahren sind sie zeugungsfähig — auch ein Grund, warum sich die Überjagung der Tiere so katastrophal auswirkt. In Zeiten, da man seiner Flossen halber gemeuchelt wird, muss man erst mal 30 werden.
Es gibt noch andere Gründe, warum Haie dezimiert werden. Ihre Leber ist stark ölhaltig und reich an Vitamin A. Als Schmiermittel für Flugzeughydraulik gelangt sie ebenso zum Einsatz wie in Cremes, Parfüms und Arzneiprodukten. Dann wieder geht es schlicht ums Kräftemessen. Wer die Biographie Ernest Hemingways gelesen hat, weiß, dass Der alte Mann und das Meer einige seiner persönlichen Erfahrungen beim Hochseeangeln spiegelt. Hemingway schwankte auf eigentümliche Weise zwischen sensiblem Beobachter und zwanghaftem Macho. Letzterer sah im Hai den ultimativen Gegner für den ganzen Kerl. Von alters her ist das Erlegen der Bestie Männersache. Im Erfolgsfall sichert sie dem Jäger einen überlegenen sozialen Status. Aus diesem Grund wird der Hai von allerlei Alphamännchen immer wieder aufs Neue herausgefordert. HaiSafaris, auf denen verfettete Manager samt ihrer angetrockneten Luxusweibchen Fangleinen und Schlimmeres auswerfen, fordern jährlich zahlreiche Opfer unter Haien. Zunehmend »jagen« so genannte Sportfischer mit Explosivgeschossen oder werfen einfach Handgranaten ins Wasser, wenn sie Haie erblicken. Wohin das führen kann, zeigt ein Fall aus Florida: Dort verschluckte ein Weißhai die Granate und schwamm damit unter die Yacht der Übeltäter, wo er explodierte und ein Loch in den Schiffsrumpf riss. Die Herren Sportfischer soffen ab. Man wünscht ihnen noch Schlimmeres.
Sollten Haie am Ende ganz nett sein? Klar sind sie das.
Aber!!!
Wenn Sie jetzt Lust bekommen haben, im nächsten Badeurlaub Kontakt zu Haien aufzunehmen, kommen Sie hinterher nicht mit dem Bein unterm Arm und sagen, ich hätte Sie nicht gewarnt. Die Natur ist und bleibt wild. Sie würden auch keinen Dobermann aus Blödsinn in die Ohren zwicken, also üben Sie Zurückhaltung. Wenn Sie nicht sicher sind, was der Hai von Ihnen will, verhalten Sie sich ruhig, möglichst ohne sich zu bewegen. Im Zweifel ziehen Sie sich langsam ins Riff zurück. Haie haben es nicht so sehr mit enger, zerklüfteter Umgebung; außerdem gewinnen Sie so Rückendeckung. Führen Sie niemals blutige Fischreste oder gespeerte Fische mit, denn nicht nur Haie werden davon wild. Auch Barrakudas könnten sich unvermutet einfinden und Ihnen an die Wäsche gehen. Zappeln Sie nicht wild herum, das tun im Verständnis der Haie nur verletzte Tiere. Laute Schreie, wenn es hart auf hart kommt, sind geeignet, Haie zu vertreiben. Sollte es Ihnen gelingen, einen angreifenden Weißhai oder Tigerhai auf die Augen zu schlagen, werden Sie erstaunt sein, wie schnell sich eine meterlange Bestie in einen Jammerlappen verwandelt, und Sie können im Freundeskreis ordentlich angeben.
Um sich für den seltenen Fall einer Attacke zu wappnen, empfiehlt es sich, einen Haistock mitzunehmen. Manche der spazierstocklangen Waffen sind am Ende mit einem Dorn bestückt, andere setzen elektrische Impulse frei. Haie hassen Elektroschocks wie die Pest, ihre Lorenzinischen Ampullen spielen dann verrückt. Das Haiabwehrgerät POD (Protective Ocean Device) überflutet das Gesichtsfeld der Tiere mit verwirrenden Impulsen und erzeugt schmerzhafte Krämpfe.
Ansonsten: Viel Spaß!
Was immer Sie jedoch tun — auf gar keinen Fall sollten Sie dem einheimischen Reiseleiter vertrauen, der Sie an der Bar damit zu verarschen sucht, sein Schwager habe einen Tigerhai mit dem Messer getötet. Die
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