Nachrichten aus einem unbekannten Universum
komplexer das Geflecht der Bedingungen, was wiederum zu größerer Vielfalt führt.
Irgendwann entstand daraus ein seiner Selbst bewusstes Wesen, als Folge diverser Anpassungsprozesse, die den Gebrauch von Händen erforderlich machten, den aufrechten Gang, die Ausbildung eines größeren Gehirns, schließlich der Sprache.
Doch ebenso gut hätten Sauroiden höhere Intelligenz entwickeln können. Vielleicht wären sie aus den räuberischen, recht intelligenten Velociraptoren hervorgegangen, aufrecht laufende, zwei bis drei Meter große Echsen. Doch die Bedingungen standen dem entgegen. So betrat Homo sapiens sapiens die Party und erwartet nun, dass sich alles um ihn dreht. Schaut man die Gästeliste durch, muss man indes fragen, ob die ganze Idee des reflektierenden Bewusstseins nicht ebenso unsinnig ist wie Hälse, die den Körper an Länge übertreffen. Bevor wir kamen, hat man sich prächtig amüsiert. Plötzlich wird Glas zerdeppert, Gift ins Essen getan, die Atmosphäre verstänkert und Krawall angefangen. Vielleicht, nachdem wir noch ein bisschen rumgepöbelt haben, werden wir rausgeschmissen, und die anderen feiern ohne uns weiter. Dann wäre die Welt um eine hochkomplexe Spezies ärmer, die kurz vorbeischaute und wieder verschwand, ohne dass man deswegen von einer Verarmung sprechen könnte. Man würde rückblickend sagen, wir seien in eine Komplexitätskrise geraten — hoch entwickelt, aber einfach nicht gesellschaftsfähig.
Dennoch glauben wir weiterhin hartnäckig, im Menschen einen Trend zum Fortschritt auszumachen. Gut, nehmen wir es einen Moment lang an. Dann sollten wir fragen: Was ist überhaupt ein Trend? Die freie Enzyklopädie Wikipedia versteht darunter eine »statistisch erfassbare Grundtendenz, die Richtung, in die eine Entwicklung geht«. Weiter heißt es: »Ein Trend ist eine neue Auffassung in Gesellschaft, Wirtschaft oder Technologie, die eine neue Bewegung bzw. Marschrichtung auslöst.« Trends, wird daraus ersichtlich, lösen sich ab. Manche sind so kurz, dass man sie im Nachhinein eher als Mode bezeichnen muss, werden allerdings im Moment ihres Entstehens vollmundig als Trends verkauft. Andere Trends verdienen die Bezeichnung. Man kann von einem Trend in der Natur sprechen, Baupläne zu variieren. Der Minirock wiederum war eine Mode, allerdings Teil eines Trends, nämlich zu mehr weiblichem Selbstbewusstsein.
Eindeutig gibt es keine Entwicklung, die Jahrmilliarden anhält. Keinen einzigen erkennbaren Trend, der ein Phänomen beständig steigert. Keine Zunahme der Komplexität, die nicht irgendwann mit einer Komplexitätskrise endet. Es kommt noch schlimmer: Würde man einem Computer alle bisherigen Trends einspeichern, wäre er dennoch nicht in der Lage, künftige Trends vorauszusagen oder zu prognostizieren, wie lange bestehende anhalten werden. Die Chaostheorie lehrt uns, dass Voraussagen allenfalls Entwürfe sein können: Unter Umständen verhält es sich so oder so oder so. Sie sagt auch den Zusammenbruch angeblicher Trends zu einem Zeitpunkt voraus, da man es am wenigsten erwartet. Im veralteten Trendverständnis müsste dem Menschen der Übermensch folgen. Doch Nietzsche hat umsonst geträumt. Weder das Wetter noch die Börsenkurse lassen sich langfristig voraussagen, und schon gar nicht die Entwicklung und Variationsbreite von Arten. Alles, was man sagen kann, ist, dass Komplexitätszunahme unter bestimmten Bedingungen nicht zu vermeiden ist.
In seinem Buch Illusion Fortschritt schreibt der amerikanische Paläontologe Stephen Jay Gould über das Randphänomen, indem er einen Betrunkenen zeigt, der nach Hause wankt, zu seiner Rechten die Häuserwand, und dabei ständig in den Straßengraben fällt oder auf die Fahrbahn. Er tendiert im Fallen also nach links. Kann man nun einen Trend ausmachen, wonach Betrunkene in Straßengräben öfter auf die Schnauze fallen als auf dem Trottoir? Ein bisschen fühlt man sich an die geniale Beweisführung des Spinnenforschers erinnert, der sein Versuchstier anstupst und ruft: »Lauf, Spinne, lauf!« Die Spinne läuft. Nun reißt er ihr zwei Beine aus und wiederholt das Experiment. Immer noch läuft die Spinne. Selbst mit zwei verbliebenen Beinen schafft sie es, vorwärts zu kommen. Erst als alle Beine abgezwickt sind, reagiert sie nicht mehr, woraufhin der Forscher in seinen Bericht schreibt: »Spinne ohne Beine taub.«
Es gibt aber keinen Trend, wonach Spinnen umso schlechter hören, je weniger Beine sie haben. Und auch keinen, der eine
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