Nachrichten aus einem unbekannten Universum
zur Aufnahme des Projekts bekannt, jetzt werden es täglich mehr.
Als Nächstes steht die Antarktis auf dem Programm, ebenfalls reich an Leben. Denken Sie an die Abermillionen Krillkrebschen unterm Eis. Bislang haben Menschen nur die Randbereiche des Schelfeis-Panzers untersucht. Wer weiß, was da noch alles lebt? Schier fröstelt es einen angesichts der zu erwartenden Biomasse, als wäre sie nicht schon überwältigend genug. Bloß, wie kommt man zu Forschungszwecken unter einen kilometerdicken Eispanzer? Das Alfred-Wegener-Institut liefert die Antwort in Form eines gelben Torpedos. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich das elegante gelbe Ding als Autonomous Underwater Vehicle, kurz AUV, ein Mini-Roboter, voll gestopft mit Kameras und Messinstrumenten, der ohne Nabelschnur 75 Kilometer weit unters Eis vorstoßen und dabei 3.000 Meter tief tauchen kann. Was er filmt, wird in Echtzeit an Bord des Forschungsschiffs Polarstern übertragen. Die Optimisten beim CoML erhoffen sich völlig neue Einblicke, Pessimisten übersetzen AUV mit »Absetzen Und Verlieren«. Ferngesteuerte Roboter ohne Kabelanschluss sind nämlich auch unbekannte Lebensformen, die dazu neigen, merkwürdige Entscheidungen zu treffen und verlustig zu gehen.
2010 soll der Menschheit nach dem Willen des CoML ein umfassendes Bild des marinen Lebens vorliegen, einer Welt also, die für Menschen lebensfeindlich ist. Skeptiker vergleichen die Arbeit der Forscher denn auch mit den Bemühungen Außerirdischer, einen kalifornischen Touristenstrand zu beschreiben, indem sie dort einmal jährlich ein Stündchen lang die Kamera kreisen lassen, und zwar immer im Winter. Nun gut. Wir können gespannt sein, wie viel Volk am Ende gezählt und wie viele neue Arten entdeckt wurden. Verfassungsrechtlich jedenfalls ist die Sache sauber.
Wer weiß? Vielleicht ist es ja doch einfacher, Flohkrebse zu zählen als Bundesbürger.
Intelligenzbestien
Mitunter träumt Aksel Bergstadt, wie aus den ominösen Löchern am Tiefseeberg seltsame, nie gesehene Wesen krabbeln und dem Computer des Tauchroboters die Mittteilung machen:
»Take me to your leader!«
Warum auch nicht? Das Leben in den Ozeanen ist sehr viel älter als das an Land. Dennoch hat den meisten Grips eine kontinentale Spezies abbekommen. Merkwürdig. Haben wir vielleicht was übersehen? »Ich weiß, dass ich wenig weiß«, trägt jeder Meeresforscher ungeschrieben im Wappen, angelehnt an den weisen Sokrates. Wer kann schon sagen, ob es nicht intelligente Einzeller im Schlick der Hadale gibt? Oder Tintenfische, die so ungeheuer schlau sind, dass wir es gar nicht merken. Im Ernst: Kognitionsforscher glauben, dass ein Mensch ihm weit überlegene Wesen ebenso wenig als intelligent wahrnehmen würde, wie ein Hund im Tun seines Herrchens gesunden Hundeverstand erblickt. Sinn ergibt aus Fifis Sicht einzig, was im Rahmen seines Verhaltens liegt. Zu komplex sind menschliche Gedankengänge, weshalb der Hund nur Chaos wahrnimmt. In Per Anhalter durch die Galaxis sind es letztlich Mäuse, die unsere Welt beherrschen und uns für ihre miesen Zwecke einspannen. Subtile kleine Biester, deren Denken von solcher Komplexität ist, dass wir glauben, sie würden sich aus Dummheit von der Katze fressen lassen. Quatsch. Alles Teil eines höheren Plans. Seegurken zum Beispiel, vielleicht sind ja Seegurken die intelligentesten Wesen des Planeten. So oder so: Wenn wir viereinhalb Milliarden Jahre ozeanische Geschichte gegen sechs Millionen Jahre Menschwerdung aufrechnen, muss man sich schon fragen, warum höhere Intelligenz nicht schon lange in den Meerestiefen entstanden ist.
Dazu drei Anmerkungen.
Erstens, Zeit spielt keine Rolle, wie wir wissen. Sie erwies sich schon bei der Entstehung des Universums als irrelevanter Begriff. Es ist völlig uninteressant, wie lange etwas dauert, sondern nur, ob es geschieht und unter welchen Umständen. Die Randbedingungen müssen stimmen. Meist sind sie das Resultat einschneidender Veränderungen, die zum Zeitpunkt ihres Eintretens eher mit Missfallen aufgenommen werden.
Zweitens, es ist unsinnig, das Leben auf dem Land von dem im Wasser zu trennen. Das Leben hat eine gemeinsame Geschichte, in deren Verlauf es immer neue Varianten herausbildete, mehrfach das Medium wechselte, das Meer verließ und wieder dorthin zurückkehrte, bis sich irgendwann Höherentwicklung anbahnte. Genauso gut hätten die Tintenfische das Kommando übernehmen können. Haben sie aber nicht. Tja. Pech gehabt.
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