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Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Titel: Nachrichten aus einem unbekannten Universum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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zwei Räder gegen vier zu tauschen, flugs werden die Prognosen für den Stückguttransport nach oben korrigiert: Schon 1999 wurden knapp 900 Millionen Tonnen über die Meere bewegt. Seit die Entwicklungsländer dem Otto-Motor huldigen, werden die Autotransporter knapp. Wollte man alle Fahrzeuge, die jährlich von Deutschland ins Reich der Mitte exportiert werden, auf einen Zug laden, könnte man ihn den Wolfsburger Bahnhof verlassen sehen, während er in Peking gerade einläuft. Auch amerikanisches Getreide gegen chinesischen Hunger wandert in derartigen Mengen durch den Panama-Kanal, dass auch die größte Flugzeugflotte der Welt nur einen Bruchteil davon transportieren könnte.
    Die relative Kostengünstigkeit des Seehandels treibt mitunter bizarre Blüten — etwa an Irlands idyllischer Westküste, wo die Welt noch in Ordnung und auf den Regen Verlass ist. Dort kann geschehen, womit ich mit Paddy im Pub zu frotzeln versuchte, dass man inmitten gälisch blökender Schafe Neuseelandlamm vorgesetzt bekommt. Dafür fahren irische Lämmer zur See, juchhe.
    Aber warum?
    Weil es allen Beteiligten höhere Gewinne bringt. Paddy ist Schafzüchter und Exporteur. Vor Jahren, als Irland wirtschaftlich in den Seilen hing, rechneten er und andere aus, was es eigentlich kostet, wenn man die guten Sachen alle selbst isst. Fazit: zu kostspielig. So nimmt Paddy heute in Kauf, dass in Irland die neuseeländische Billigvariante auf den Teller kommt, flucht in sein Guinness und streicht den Gewinn ein. Sehr leise sind die Flüche, eher aus Solidarität mit denen vorgebracht, die nicht wie er über den Vorzug verfügen, sich aus eigenen Beständen bedienen zu können. Und so lastet es auf dem Meer, das Schweigen der Lämmer. Sie hängen im Frachtraum, halbiert und gefroren, während Paddy Bilanz zieht: Hätte er die Tiere nach Dublin gefahren wie früher, wäre ihn das teurer gekommen, als sie auf dem Seeweg um die halbe Welt zu schicken.
    Ein Schaf, wer da an Traditionen kleben bleibt.
    Was anmutet wie im Suff gerechnet, ist die nüchterne Wahrheit. Das ganze Geheimnis liegt in der enormen Größe der Containerfrachter. Zukünftig werden sie noch länger und breiter sein, noch mehr asiatische Laptops lassen sich darin unterbringen. Anfang der Neunziger gingen zehn bis zwölf Prozent des Preises, den Sie für

einen Sony Discman berappten, auf das Konto des Seetransports. Heute ist es gerade mal ein Zehntel dessen. Die Verschiffungskosten für ein Motorrad, so Erhebungen der Hamburger Hafen und Lagerhaus AG, liegen aktuell unter 100 Dollar pro Feuerstuhl, ein Fernseher reist für 30 Dollar, ein Videorekorder wird für zwei Dollar mitgenommen, und wenn Sie sich fröhlich eine Flasche original chinesischen Pflaumenwein hinter die Binde gießen, hat diese für 13 Cent übers Meer gefunden. Dagegen muten Paddys frühere Lasterfahrten von Galway nach Dublin wie der pure Luxus an. Und auch in Neuseeland sind die lukrativsten Lämmer jene, die das Land verlassen.
    Bis 2010 rechnen Experten mit einer weiteren Frachtkostensenkung. Dass gerade die Containerbranche in der jüngeren Vergangenheit einen beispiellosen Boom verzeichnete, verdankt sich einer ebenso einfachen wie genialen Idee: Fast alles lässt sich in Kisten packen. Und nichts ist Raum sparender als eine Kiste.
    Die Hamburger Behörde für Wirtschaft und Arbeit dokumentiert, wie sich dieser Zweig der Hochseeschifffahrt binnen weniger Jahrzehnte entwickelt hat. Anfang der achtziger Jahre maß ein Containerfrachter der Post-Panmax-Klasse (Tiefgang über 14 Meter) 295 Meter Länge, war gut 32 Meter breit und kämpfte sich unter dem Gewicht von bis zu 5000 TEUs (TEU = Twenty Feet Equivalent Unit, die Branchenbezeichnung für einen Standardcontainer) von Wellental zu Wellental. In den Neunzigern wuchsen die Schiffe über sich selbst hinaus, auf 300 Meter Länge und mehr, zum Ende des Jahrhunderts überschritten sie die 350-Meter-Marke. Für 2010 sind 380 Meter Länge und 55 Meter Breite angepeilt. Zum Vergleich: Der Nordturm des Kölner Doms misst 157,38 Meter, man könnte die größte gotische Kathedrale der Welt also zwei Mal hintereinander liegend transportieren und hätte noch gut 60 Meter übrig für Aufbauten, Brücke und eine kleine erzbischöfliche Residenz. Weniger im Sinne der Kölner dürfte sein, dass man ihr Gotteshaus dafür in 12.000 TEUs packen müsste. So viele finden an Bord des Superfrachters Platz. Positiv verbucht würde in der Domstadt, dass auch Joachim Kardinal

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