Nachrichten aus einem unbekannten Universum
größeren Anbietern den Vorzug geben und sich möglicherweise beteiligen. Unternehmen wie Hapag-Lloyd setzen mittlerweile auf horizontale Kompetenzgeflechte. Wer alles unter ein Dach packt, steht selbst oft genug im Regen, siehe Daimler-Chrysler. Das erste Jahrhundert des dritten Jahrtausends könnte den wirtschaftlichen Aufschwung auch darum bringen, weil man endlich die Vorzüge des Outsourcing begriffen hat. In der Theorie zumindest. Praktisch laufen die Branchengiganten unverändert Gefahr, sich aufzublähen wie die Kugelfische.
Und hier wird’s nochmal kritisch.
Jedem seine gute Laune. Schön auch, dass im Kaffeesatz der Wirtschaftsweisen immer größere Frachter immer größere Häfen ansteuern. Nur Klein-Fritz ist skeptisch. Von so was versteht er ja rein gar nichts, kaum, dass er in der Badewanne seine Gummiente auf Kurs halten kann. Doch haben denn die Typen aus der Erdgeschichte nichts gelernt? Hat der Mann von Hapag-Lloyd vergessen, was mit Langhälsen und Monsterlibellen passiert! Komple-xi-täts- krise!!! Man kann doch nicht immerzu nur wachsen und wachsen, Fritzens Mutter jedenfalls ist fix und fertig, weil Fritzchen alldieweil aus den Klamotten wächst. In ihren Augen kostet Wachstum nur ein Heidengeld.
Gewiss verspricht die Globalisierung grenzenlose Zuwachsraten. Außerdem hat es der Seehandel geschafft, sich von der Entwicklung der Weltwirtschaft zu lösen und überproportional zuzulegen. Wo Asien, Europa und Amerika gemeinsam Hand anlegen, um etwa ein Auto oder eine Kaffeemaschine zu bauen, explodiert der globale Markt in Angebotsvielfalt, wird fleißig überproduziert und unterbezahlt, müssen mehr und mehr Güter verschifft werden. Spätestens seitdem sich die Märkte vom Schock des 11. September berappelt haben, wittern die Reeder Kapazitätsengpässe und bauen, was das Zeug hält. 2007 sollen die großen Tankerflotten um weitere zehn Prozent aufgestockt werden, Gleiches kündigt die Containerbranche an. Also volle Kraft voraus! Ahoi, güldener Horizont!
Und das, während der Markt für gebrauchte Tanker und Cargoliner still zusammenbricht.
Doch auch die Aktien manch großer Reederei dümpeln in gespenstischer Flaute. Trendgläubigkeit führt zur Überhitzung, und ein Boom ist der Mode nun mal näher als dem Trend. Eigentlich, meint Stephan Wrage, komme es künstlicher Lebensverlängerung gleich, Supertanker und Containerfrachter weiterhin auf klassische Weise zu bauen. Dass 98 Prozent aller Handelsschiffe auf den Rohstoff angewiesen sind, den sie zum Teil selbst transportieren, scheint ihm paradox. Wrages Unternehmen SkySails ist darum angetreten, frischen Wind in die Branche zu bringen: Seewind. Gemeinsam mit dem Luft- und Raumfahrttechniker Stephan Brabeck hat er den Traum vom Fliegen für die Schifffahrt entdeckt.
Wer im Oktober 2005 einen gewaltigen Paragliding-Schirm über die Ostsee ziehen sah, dürfte erstaunt gewesen sein, was der mit Pressluft gefüllte Zugdrache da hinter sich herschleppte — nämlich ein 18 Tonnen schweres Schiff! Nun ist Segeln an sich nichts Neues, ein 5.000 Quadratmeter großer Drachen, per Zugtrosse mit einem Frachter verbunden, allerdings schon. Gemeinhin endet der Mast auch großer Segler knapp 50 Meter über dem Meeresspiegel. Wrages Drachen nimmt zwischen 100 und 500 Meter Höhe jede gewünschte Position ein. Die Trosse, verankert in einer Schiene, kann ja nach Bedarf um den kompletten Schiffsrumpf wandern und die Windverhältnisse so optimal in Bewegungsenergie umsetzen. Anders als bei herkömmlichen Segelschiffen ist die Krängung so gut wie aufgehoben.
»Mit zunehmender Höhe nimmt die nutzbare Windenergie bedeutend zu«, sagt Wrage. »Hier wird der Wind weniger von der Reibung mit der Wasseroberfläche gebremst. Dadurch steht selbst in so genannten tropischen Schwachwindgebieten genügend Windenergie zum Vortrieb zur Verfügung.«
Was im ersten Moment rückschrittlich anmutet, könnte die Schifffahrt revolutionieren. Wrage braucht nicht lange, um es den Reedereien vorzurechnen: Ein voll beladenes Schiff von 200 Metern Länge steigert durch den Einsatz von SkySails seine Geschwindigkeit um 2,25 Knoten und spart dabei stündlich 700 Liter Treibstoff ein. Wozu überhaupt noch Treibstoff? Weil der Wind auch mal von vorne kommen kann. In diesem Fall nützt der Drachen wenig, auch wenn dessen Autopilot unentwegt rechnet und das Schiff bis zu 50 Grad am Wind steuern kann. Auch komplizierte Manöver werden konventionell durchgeführt, etwa die Einfahrt
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