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Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Titel: Nachrichten aus einem unbekannten Universum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Fischbestände hergemacht. Schuld waren Anomalien in den Strömungsverhältnissen vor der südamerikanischen Westküste und damit verbundene Temperaturschwankungen. Christina Rodriguez-Benito vom Ozeanographie-Unternehmen Mariscope Chilena erklärt das Phänomen so: »Der Zufluss wärmeren Wassers verursacht das Auftauchen der Kalmare. Sie steckten in einer Linse kalten Wassers inmitten wärmerer Wassermassen und wurden so an die Küste gelockt.« Forscher freuen sich über die massenhafte Präsenz der seltenen Tiere, Fischer weit weniger.
    Bleibt zum guten Schluss eine kleine, aber feine Verschwörungstheorie, um Berichte über Seeschlangen und andere Monster zu erklären. Schon von den Wikingern weiß man, dass sie den Bug ihrer Schiffe nicht aus ästhetischen Gründen mit Drachenköpfen verzierten, sondern des Nebels halber, der über den Nordgewässern waberte. Erschien ein solcher Rumpf im weißen Nichts, musste er Feinden wie ein herannahendes Ungeheuer erscheinen. Ein Ursprung der Legenden ist tatsächlich hier zu finden. Von Christoph Kolumbus wiederum heißt es, er selbst habe die angeblichen Scherereien mit verängstigten Seeleuten erfunden und verbreiten lassen, es herrsche allgemein große Angst vor den Kreaturen der Tiefe. Denn Kolumbus war nicht der einzige Seefahrer, der Geldgeber suchte. Auch andere bemühten sich, Fernexpedition auf die Beine zu stellen. Schon in der Antike hatten Darstellungen schrecklicher Ungeheuer die Seekarten geziert, nicht, weil man sie gesehen hatte, sondern um konkurrierende Seefahrer abzuschrecken. Wenn das stimmt, wäre Kolumbus prädestiniert gewesen für eine Spitzenposition beim amerikanischen Geheimdienst. Und nach Amerika ist er ja schließlich auch gekommen.

 
MORGEN

 
Paddy und die virtuellen Lämmer
    Der Mann sieht aus, wie man sich einen Iren gemeinhin vorstellt. Rotblondes, an den Schläfen leicht ergrautes Wuschelhaar, rotwangiges, rundes Gesicht, blitzblaue Augen und ein Guinness in unbedingter Griffweite. Wir sitzen bei »Davy Byrne’s«, dem Dubliner Wallfahrtsort für Joyce-Süchtige, deren Lieblingsschriftsteller hier auf den Grund des Glases und der nackten menschlichen Existenz blickte.
    »Einer der berühmtesten Pubs überhaupt«, sagt Paddy O’Donnell, der zu allem Überfluss auch noch so heißt, wie Iren zu heißen haben. »Dabei wird er in Ulysses kaum erwähnt. Ganze vier Sätze: He entered Davy Byrne’s. Moral Pub. He doesn’t chat. Stands a drink now and then. Lausig, was? Reichte aber, dass sie eine Pipeline von St. James’ Gate hierher verlegen mussten.«
    St. James’ Gate, da hat die Guinness-Brauerei ihren Sitz. Ich tauche meine Oberlippe in sahnigen Schaum, sauge am darunterliegenden Schwarz und warte.
    »Wusstest du, dass nur vier Prozent aller Iren rothaarig sind?«, sagt Paddy schließlich. »Nur vier Prozent!«
    »Nein.«
    »Doch. Die anderen haben dunkles Haar. Weil wir nämlich von den Kelten abstammen, die sich wiederum mit so komischen vorkeltischen Urvölkern im Norden vermischt haben.«
    »Bei euch ist nichts so, wie man es erwarten sollte«, sage ich. »Auf jeder zweiten Straße rennen einem die schönsten einheimischen Lämmer vor den Kühler, und im Pub gibt’s Neuseelandlamm.«
    »Das«, grinst Paddy säuerlich, weil er sehr genau weiß, worauf ich hinauswill, »verstehst du nicht.«
    Dabei ist es ganz einfach zu verstehen. Es hat seinen Ursprung im menschlichen Pioniergeist. Schon immer ist Homo sapiens sapiens mit kaum zu übertreffender Beharrlichkeit der Frage nachgegangen, wie er die endlosen Wasserflächen der Meere zwecks Ausbreitung seiner Art überwinden könnte. Schwimmen kam nicht in Frage, auch wenn man nur zur nahen Nachbarinsel wollte, weil da die schöneren Kokosnüsse wuchsen. Bemerkenswerterweise sind viele Insulaner wasserscheu. Ich habe maledivische Fischer kennen gelernt, die überhaupt nicht schwimmen konnten und jedes Mal Angst hatten, wenn sie rausfuhren. Mein ungläubiger Blick entlockte Musthag — einem Langustenfischer, mit dem ich mich während einer Tauchsafa- ri angefreundet hatte — ein knappes Achselzucken.
    »Glaubst du im Ernst, man muss das Wasser lieben, bloß weil man davon umgeben ist?«, sagte er. »Du kommst aus der Stadt. Fändest du es lustig, von morgens bis abends über die Hauptstraße zu laufen? Es ist verdammt nochmal gefährlich!«
    Tatsächlich haben Menschen ein merkwürdiges Verhältnis zum Wasser. Einerseits schwimmt kein anderer Landbewohner so gut und ausdauernd,

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