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Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Titel: Nachrichten aus einem unbekannten Universum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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andererseits empfinden wir eine natürliche Scheu vor allem, was wir nicht bis auf den Grund durchblicken können. Angesichts der gefahrvollen Begleitumstände muss man jedenfalls den Hut vor jedem ziehen, der sich hinauswagte auf »das Land, das dich verschluckt«, wie die Polynesier sagen. Die Geschichte der Seefahrt ist eine Chronik der Selbstüberwindung, noch beeindruckender zu lesen als die Historie der Fliegerei. Viele Jahrtausende lang führte kein Weg am Schiff vorbei, wenn man nicht enden wollte wie die Königskinder. Die Indianer Nord- und Südamerikas, die australischen Aborigines und andere Völker hätten es vielleicht vorgezogen, wenn Kolumbus und Konsorten ihre Energie auf heimische Binnenschifffahrts-Routen verschwendet hätten, doch am Ende haben viele vom Mut der frühen Wellenreiter profitiert.
    Heute wird die Seefahrt zunehmend als Luxus der Zeitreisenden verstanden. Wer geschäftlich nach New York muss, lässt sich notgedrungen von Turbulenzen durchschütteln, schaut Filme, die er freiwillig keines Blickes gewürdigt hätte, stochert in windelweich gekochten Nudeln herum und preist die Vorzüge des Jetzeitalters. Währenddessen schaukelt die Queen Mary II unter Verabreichung schmackhafter Menüs Rentner und Privatvermögende über die Nordhalbkugel. Doch was soll’s? Das Flugzeug hat die behäbigen Pötte abgelöst, so viel steht fest! Schreckliche Vorstellung, dass Kerosin zur Neige gehen könnte. Die Zukunft liegt in den Himmeln.
    Falsch.
    Zunächst, das Kerosin wird zur Neige gehen. Und man wird weiterfliegen, beispielsweise mit Elektrizität. Schon lange tüftelt Boeing an entsprechenden Konzepten. Leichtflugzeuge, deren Propeller von 25-Kilowatt-Brennstoffzellen gespeist werden, hat man bereits erfolgreich auf die Hochstrecke gebracht, wenngleich sie wenig mehr transportieren als den Piloten. Doch Boeing ist zuversichtlich. Schließlich will man die ganzen schönen Jumbos nicht in Wohncontainer umfunktionieren, wenn die Pipelines trockenliegen. Außerdem versprechen Brennstoffzellen umweltfreundliche Bilanzen. Übrig bleiben lediglich Wasser und Wärme. Noch scheitert die Adaption auf Großraumjets am Tankvolumen für den erforderlichen Wasserstoff. Bis dahin übt man sich im Spritsparen, ist guter Dinge und tüftelt weiter.
    Nicht minder intensiv werden alternative Schiffsantriebe erforscht. Denn die Zukunft liegt keineswegs nur in den Himmeln, sondern viel eher auf den Wassern. Fröhliches Jethüpfen von Kontinent zu Kontinent macht vergessen, dass die Weltversorgung über die Meere abgewickelt wird. Menschen sind die einzige Fracht, die sich in wirtschaftlich attraktiven Größenordnungen um den Globus fliegen lässt. Denn die Überwindung der Schwerkraft kostet Geld. Um ein Kilogramm Nutzlast mit dem Spaceshuttle zur ISS zu fliegen, muss man zwischen 15.000 und 25.000 Dollar lockermachen — ursprünglich waren 200 Dollar angepeilt. Ein Riesenproblem für die Astronauten, wenn das Familienglas Nutella unten bleiben muss. Das Schwerkraftproblem ist aber auch Ursache touristischen Unmuts im täglichen Transitverkehr. Wenn Vati schon zwischen Tauchausrüstung und Golfsack wählen muss, weil beides nicht geht, kann man sich ausmalen, was die Umlegung des Ölhandels auf den Luftverkehr bedeuten würde. Erstens, nie wieder Seevögel mit verklebten Federn. Das ist fein. Zweitens, Millionen Cabrios, in die man künftig Petunien pflanzen kann, vor sich hin rostende Limousinen, Überlastung des öffentlichen Nahverkehrs. Weniger erbaulich. Ohne die Handelsschifffahrt würden sich 98 Prozent aller Waren nicht nur astronomisch verteuern, sondern auch dramatisch verknappen. Wessen Zukunft auch immer in den Himmeln liegen mag, die der Weltwirtschaft ist es eindeutig nicht.
    Alle Prognosen konzentrieren sich aufs Meer. Zur Ehrenrettung der Prognostik sei gesagt, dass sie für den Seehandel bislang recht akzeptable Voraussagen getroffen hat. Mitte der Achtziger prophezeiten Statistiker, am Ende des Jahrhunderts werde der Anteil der Schifffahrt am globalen Gütertransport bei über 90 Prozent liegen, in Bruttoregistertonnen gerechnet, und genauso kam es. Nicht nur der Flugverkehr, auch die Schiene gerät demgegenüber ins Hintertreffen. Umweltgerecht und mit vergleichsweise geringem Aufwand lassen sich einige Millionen Mazdas, Toyotas und Mitsubishis nach Europa und Amerika schippern, während auf der anderen Seite der Erde Volkswagen und Ford in Richtung China unterwegs sind. Ein Volk rüstet sich,

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