Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Titel: Nachrichten aus einem unbekannten Universum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
entstand: Die SeaOrbiter fand ihren Weg aus Rougeries innerem Universum in den Simulator — ein futuristisches Gebilde von solcher Eleganz, dass Steven Spielberg vor Neid erblassen würde.
    Noch existiert das Wunderfahrzeug nur als dreieinhalb Meter hohes Modell, doch schon in wenigen Jahren soll die schwimmende Station in Dienst gehen und eine Revolution in der Meeresforschung auslösen. In Fachkreisen liebevoll mit einem kolossalen Seepferdchen verglichen, entzieht sich die SeaOrbiter jeder Kategorisierung. Ebenso gut könnte sie als Flaggschiff der Klingonen durchgehen oder als schwimmende Kathedrale. 51 Meter hoch, stabilisiert von einem kreisförmigen, zehn Meter durchmessenden Kiel, folgt sie den Reisegewohnheiten treibenden Eises. Zwei Module fügen sich zu einer gigantischen Boje. Bullaugen und große Panoramafenster ermöglichen die ständige Beobachtung der Welt ober- und unterhalb des Meeresspiegels, denn nur ein Drittel der weiß schimmernden Aluminiumkonstruktion ragt über die Wasseroberfläche hinaus. 31 Meter bleiben darunter verborgen. Damit liegt die Mehrzahl der acht Arbeitsniveaus, die sich wie in einem Hochhaus übereinander stapeln, unter Wasser.
    Und dort wird es richtig interessant. Zehn der insgesamt 18 Besatzungsmitglieder arbeiten in einem für Menschen lebensfeindlichen Umfeld. Neben Küche, Wohn- und Schlafgelegenheiten stehen den Aquanauten aufwändig ausgestattete Labors für akustische und biologische Langzeitstudien zur Verfügung. Der eigentliche Clou allerdings ist das Multi-Level-Hochdruckmodul der SeaOrbiter, das den Innendruck der unterseeischen Räume den Druckverhältnissen des umgebenden Wassers anpasst. Forscher, die allem, was vorbeischwimmt, eben mal die Flosse schütteln möchten, müssen sich nicht länger mit zeitraubenden Dekompressionsphasen herumschlagen, sondern lediglich ins Neopren schlüpfen und durch eine Schleuse nach draußen gleiten. Tauchen in 35 Meter Tiefe wird damit so unkompliziert wie Um-den-Block-Gehen und Zigaretten- holen.
    So viel wissenschaftlicher Komfort hat seinen Preis, nämlich den der Isolation. Nicht, dass man da unten in Ketten läge. Nach oben kann man schon, aber es ist mit einigem Aufwand verbunden; vom luftigen Drittel der SeaOrbiter ist der Hochdruckbereich hermetisch abgeriegelt. Oberhalb des Meeresspiegels herrschen normale atmosphärische Bedingungen, wohnen und arbeiten die Mitglieder der Crew, die mit Logistik befasst sind. Hier, wo der Seewind bläst, finden sich Navigations- und Kommunikationsgeräte, überschaut man von der Brücke aus den Ozean oder gibt sich auf der geräumigen Freiluftplattform der Beobachtung von Walen, Delphinen, Wellen und Wolken hin. Die Versorgung des treibenden Giganten erfolgt aus der Luft. Theoretisch kann die SeaOrbiter unbegrenzt auf See bleiben, praktisch gestattet sie mehr als drei Monate autonomes Leben an Bord, auch und gerade im Hochdruckbereich.
    Die Frage nach Kraftstoff stellt sich dabei nicht. Die SeaOrbiter ist antriebslos. Lediglich zwei Elektromotoren ermöglichen bei Bedarf eine Kurskorrektur. Ansonsten sieht Rougeries Konzept vor, die Station mit der Strömung treiben zu lassen, ähnlich wie Ocean to Observe. Geräuschlos wird die SeaOrbiter ihre Bahn durch die Ozeane ziehen, einzig dem Rhythmus des gewaltigen Förderbandes unterworfen, welches das Wasser unseres Planeten um- und umwälzt.
    So groß die schwimmende Insel ist, verliert sie doch jede Bedrohlichkeit für die Tierwelt. Als integrativer Teil eines natürlichen Systems wird sie marines Leben sogar anlocken — Rougerie hofft auf eine Oase des Lebens, die sich nach und nach um die SeaOrbiter entwickeln wird, ein komplettes Ökosystem, wie man es im Umfeld von Riffen und Wracks findet. Ein Gedanke übrigens, der so neu nicht ist. Schon 200 v. Chr. schrieb der griechische Dichter Oppian über Fischer, die in küstennahen Regionen riffähnliche Strukturen zur Fischzucht schufen, um nicht bei jeder Witterung aufs offene Meer fahren zu müssen.
    So wie seinerzeit die künstlichen Riffe, werden zuerst Mikroorganismen die Hülle der SeaOrbiter in Besitz nehmen. Ihnen folgen Larven und Setzlinge, die Schutz vor Räubern suchen und sich von den Erstankömmlingen ernähren. Als Nächstes treffen kleine Fische mit Appetit auf Larven ein, die ihrerseits auf dem Speisezettel der Großen zu finden sind. Brassen und Thunfische werden angelockt, gefolgt von Haien. Wo es so gesellig ist, bleiben Tümmler und Delphine nicht aus. Zudem werden

Weitere Kostenlose Bücher