Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Titel: Nachrichten aus einem unbekannten Universum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
stundenlang in einer Röhre, bekommt bröselige Brötchen, deren Krümel sich gleichmäßig unterm Hintern verteilen, während einem bei Turbulenzen heißer Kaffee in den Schritt läuft. Außerdem sei der Mensch zum Fliegen nicht geschaffen.
    Da ist was dran. Beobachten Sie mal Geschäftsleute auf Shuttleflügen. Alle haben eine Zeitung dabei oder ein Business-Magazin, in das sie unentwegt starren, immer dieselben Zeilen lesend und doch nicht lesend. Als ich selber noch geflogen bin (inzwischen treibt mir schon der Gedanke ans Fliegen den Schweiß auf die Stirn), konnte ich Manager sehen, die während des ganzen luftigen Gehoppels ihre Financial Times verkehrt rum hielten. Am Ende wollen alle nur eines: bitte ganz schnell wieder runter. Sicher gibt es Flugbegeisterte, doch müssen die in einem früheren Leben Hummel oder Papagei gewesen sein.
    Davidsons Vision ist eine transpazifische Version des CalaisDover-Tunnels. Man steigt — sagen wir nahe Los Angeles — in einen Zug und fährt in eine Röhre ein. Diese durchzieht den Ozean bis Tokio, rund 100 Meter unter der Wasseroberfläche, gebaut auf Stelzen und verankert an Plattformen. Im Inneren der Röhre herrscht ein Vakuum, das den Zug regelrecht hindurchsaugt. Mit Geschwindigkeiten bis zu 25.000 Stundenkilometern gelangt man gleich nach dem Zähneputzen aufs asiatische Festland und kann dort ein spätes Frühstück einnehmen, um pünktlich zum Five-o-clock-tea in London zu sein. Denn natürlich wird das Netz alle Ozeane durchziehen. Von Hamburg bis Boston bräuchte man bei »nur« fünffacher Schallgeschwindigkeit ein knappes Stündchen. Selbst dem monegassischen Fürstenhaus würde das System ganz neue Perspektiven eröffnen. Jenseits der 200-Meilen-Zone sind die Ozeane staatenloses Gebiet. Da könnte man doch Monaco 2 in den Atlantik setzen und einen Tunnel durch die Straße von Gibraltar führen. 20 Minuten von Monaco nach Monaco, darin sieht Davidson nicht die geringsten Schwierigkeiten. Albert kann also schon mal mit Ernst August besprechen, wo der Weinkeller hinkommt.
    Hand aufs Herz: Ist das wirklich realistisch?
    Sicher, wer eben noch am Frankfurter Kreuz im Stau stand, wird eine Hochgeschwindigkeitsröhre begrüßen. Zugleich, im Angesicht einer Verkehrsplanung, die vier Fahrspuren zu einer verengt, ohne dass ersichtlich ist, warum, die Innenstädte sperrt, ohne für Umgehungsstraßen zu sorgen, die sich dümmster logistischer Fehler schuldig macht, wird er sich fragen, wer so was Kompliziertes auf die Reihe kriegen soll. Oder vielleicht doch? Gibt es ein ungeschriebenes Gesetz, wonach es einfacher ist, zum Mond zu fliegen, als am Frankfurter Kreuz hundert Kubikmeter Teer platt zu walzen?
    »Das Konzept ist technisch absolut realisierbar«, sagt Davidson. »Es stellt sich nicht die Frage nach der Machbarkeit, sondern vielmehr danach, ob man ein solches Projekt realisieren will.«
    Sinnvoll wäre es allemal. Jules Verne rechnete schon für Ende des vergangenen Jahrhunderts mit sechs Milliarden Menschen auf der Erde. Derzeit sind es schon mehr als 6,5 Milliarden. Chapeau, Monsieur! Wer heute eine asiatische Großstadt durchstreift, wird keinen einzigen unbebauten Fleck finden, dafür von geplanten Wolkenkratzern hören, die zwei Kilometer und mehr in den Himmel ragen sollen. Man kann nur hoffen, dass in solchen Gebäuden die Aufzüge funktionieren. Fest steht: Dem Höhenrausch sind Grenzen gesetzt. Bleibt der Weg aufs Meer, der im Übrigen gar nicht so revolutionär neu ist, weil schon vor Jahrhunderten beschritten. Pfahlbauten und schwimmende Märkte, ganze Dschunkendörfer — das hat es alles schon gegeben.
    Und was ist nun mit dem Leben in der Tiefe?
    Wie steht’s mit den geheimnisumwitterten Städten am Meeresgrund? Könnte man da nicht endlos bauen? Kapitän Nemo, ganz visionärer Anarchist, sagt dazu in Jules Vernes 20.000 Meilen unter dem Meer:
    »Stärker als auf allen Kontinenten, überbordend, ewig regt sich Leben in allen Schichten des Ozeans. Todeselement — so sagt man — für den Menschen, Lebenselement für Myriaden von Tieren und für mich desgleichen. — Hier ist das Leben unverfälscht. Entwürfe gehen mir durch den Sinn, schwimmende Städte zu gründen, unterseeische Siedlungen, die jeden Morgen, wie meine Nautilus es tut, aufsteigen zum Spiegel der Gewässer, um Atemluft zu schöpfen, freie Städte, Städte, die souverän sind!«
    Aha. Wie ein riesiger Wal steigt etwa Hannover oder Wiesbaden zur Meeresoberfläche, atmet kurz und

Weitere Kostenlose Bücher