Nachrichten aus einem unbekannten Universum
stadteigenen Entsalzungsanlagen gewonnen. Projekte der Nahrungsgewinnung aus dem Meer schaffen neue Arbeitsplätze. Nicht nur für ihre eigene Versorgung werden die Bewohner Sorge tragen, sondern auch Exporteure des Fortschritts werden.
»So können wir uns eine Art Technopolis auf dem Meer vorstellen«, meint der französische Ingenieur Thierry Gaudin — Fachgebiet infrastrukturelle Fragen schwimmender Inseln. »Mit Forschung, akademischer Arbeit und regem Austausch von Informationen.«
Auf die Kosten angesprochen, winkt Gaudin ab. An der Meeresoberfläche ließe sich billiger bauen als auf dem Land — alleine schon, was sich beim Materialtransport einsparen ließe: »Wenn Sie überlegen, Elemente zu produzieren, die später zu einer Stadt zusammengesetzt werden, wenn Sie sich weiter vorstellen, diese Elemente in einer Fabrik herzustellen mit all den Vorteilen und der Flexibilität der modernen Massenproduktion, die wir heute haben, so kann Boden, also Wohnraum auf dem Meer, sehr viel billiger hergestellt werden als auf dem Land.«
John Craven hat die Möglichkeiten der Energiegewinnung durchgespielt und sieht im Tiefseewasser eine unerschöpfliche Ressource: Kalt und sauber, angereichert mit Nährstoffen, eignet es sich in idealer Weise zur Kühlung und Frischwassergewinnung oder als Dünger für Hydrokulturen. Wind, Wellen und Sonnenlicht könnten ohne nachhaltige ökologische Schädigungen genutzt werden. Sogar die Rolle des Wasserlieferanten kann die Ocean City übernehmen, etwa für küstennah lebende Wüstenvölker. Über kilometerlange Kanalsysteme pumpt man das eiskalte, entsalzte Elixier einfach an Land und leitet es in die heißen Böden, wo es im Sonnenlicht kondensiert, Wolken bildet und abregnet.
Und wohin mit dem Müll?
Recyceln, meint Craven. Oder verbrennen. Wenn es gar nicht anders geht, in Containern zurück aufs Festland schippern, aber keinesfalls im Meer versenken. Das ist brav. Fraglich, ob sich auch jeder daran halten wird. Das verklappt schon, kalauerte unlängst ein deutscher Ingenieur und hat’s wahrscheinlich auf den Punkt gebracht.
Noch sind Ocean Citys bloße Konstrukte, bevölkert von imaginären Bürgern und ein paar realen Wissenschaftlern. Zunehmend rückt das Leben auf dem Meer in den Bereich des Vorstellbaren, allerdings sind Äffchen Landbewohner. Sie haben es nicht so gerne, von Wasser umschlossen zu sein. Nicht umsonst gelten Insulaner als verschroben. Sicher, der Affe von Welt ist es gewohnt, seinen Standort nach Belieben zu verändern. Er wandert, schwingt sich aufs Fahrrad oder fährt mit dem Auto ins Gebirge und an die See. Immer jedoch legt er sein Augenmerk auf Weite. Teil unserer Natur ist, uns potenzieller Fluchtmöglichkeiten zu versichern, selbst wenn sie nur psychologisch relevant sind — durch Sprinten ins Hinterland lässt sich einer Atombombe kaum entkommen.
Andererseits fährt der abenteuerlustige Mitteleuropäer gerne auf die Malediven. Ebenso froh ist er allerdings, nach zwei Wochen wieder wegzukommen. In fünf Minuten seine Insel zu umrunden ist ja mal ganz schön — sein ganzes Leben auf einem wenige Quadratkilometer großen Flecken zu verbringen, um sich herum nichts als Wasser, verlangt der Psyche einiges ab. Sind wir also überhaupt gemacht fürs Insulanerdasein, und sei es noch so technisiert und komfortabel?
Na und, sagt Klein-Fritz, der sich schon jeden Tag Eis schleckend am Strand von Ozeanopolis sieht. Es gibt doch Flugzeuge. Wenn wir Oma und Opa besuchen wollen, nehmen wir halt die nächste Maschine.
Die Idee hat Charme. Oma und Opa wohnen natürlich auf der Fachwerkinsel, wo alle Omas und Opas angesiedelt werden, eine Art riesiger schwimmender Bauernhof mit Hühnern, Ponys und TanteEmma-Läden. Es gibt auch Spielplatzinseln in Fritzens Fantasie. Und welche ganz aus Fischstäbchen und Überraschungseiern! Und dann noch die nicht ganz so schöne Schulinsel, aber egal. Bei Sturm gibt’s ohnehin tornadofrei, dann bleibt der Flieger halt im Hangar.
Sorry, Fritz. Flugzeuge sind passe.
Das sagt zumindest Professor Frank Davidson vom MIT. Für kurze Strecken kann man sich ins Lufttaxi setzen — auf klotzige Kerosinfresser werden wir verzichten müssen. In Davidsons Augen sind Flugzeuge lahme Enten. Schnellboote wären effizienter.
Davidsons Lieblingsvision jedoch sind Unterwassertunnel, ähnlich denen, wie sie in der Bucht von Osaka entstehen sollen. Wozu noch über den Pazifik fliegen? Kilometerhoch muss man sich schrauben, sitzt
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