Nachrichten aus einem unbekannten Universum
Institute of Technology (MIT). Er sieht in der Aufschüttungstechnik eine Gefährdung ganzer Ökosysteme. Unter Bergen von Baumaterial werde jegliches Leben buchstäblich platt gemacht. Der zementierte Meeresboden gebe keine Nährstoffe mehr frei, wodurch auch größere, umliegende Areale betroffen seien.
Währenddessen wird in der Bucht von Osaka weiterhin Schutt ins Wasser gekippt. Und mehr als das. Im zweitgrößten Wirtschaftszentrum Japans wird man dem Verkehrsinfarkt nur noch mit Unterwasser-Bypässen Herr. Ein subaquatisches, 120 Kilometer langes System aus Röhren soll künftig die Bucht durchziehen, in dessen mehrgeschossigem Inneren Züge und Autos dahinrasen. Was wie der Exitus natürlicher Lebensräume klingt, könnte das genaue Gegenteil bewirken. Teile des Tunnelsystems transportieren zugleich Frischwasser in die flachen, industriell hoch belasteten Küstenregionen, um japsende Chemikalienopfer wieder aufzupäppeln.
Vor Monaco soll jedenfalls Vernes Propellerinsel Gestalt annehmen.
Zwar wird Isola nicht übers Mittelmeer kreuzen, aber den nämli- chen Zweck erfüllen. Wer das Manhattan des Mittelmeers kennt, wie es sich die Hänge hochstapelt, weiß um die Platznot der Monegassen. Mit annähernd 17.000 Einwohnern pro Quadratkilometer weisen sie die höchste Bevölkerungsdichte der Welt auf. Der kleine räuberische Clan der genuesischen Grimaldis hätte sich im 13. Jahrhundert kaum träumen lassen, dass seine Nachfahren einmal Inseln im Meer errichten werden. Doch Monaco platzt aus allen Nähten, und Frankreich ist wenig geneigt, ein Stück der Grande Nation abzugeben.
So musste Kikutake ran. Sein Entwurf sah vor, einen Riesenponton in einer fernen Werft zu bauen, die künstliche Insel nach Monaco zu schleppen und dort per »Soft Landing« abzusenken, ein Prinzip, das schon Naturvölker mit Erfolg anwendeten: Bauwerke werden auf hohle Säulen gesetzt, diese geflutet und im Meeresboden verankert.
Den Zuschlag erhielt jedoch der französische Architekt JeanPhilippe Zoppini. Seine Isola ist eine einzige Verbeugung vor Verne. Die kreisrunde, schwimmende Stadt wird 4.000 Einwohnern ein feudales Zuhause geben, einen Durchmesser von 300 Metern haben und neben Helikopterlandeplätzen und Bootsanlegern über schicke Extras wie eine verglaste Unterwasserpromenade verfügen. 25 Meter der Konstruktion werden unter Wasser liegen, 15 Meter daraus hervorschauen. Rund um die Insel gewährleisten Wellenbrecher auch bei stürmischer Witterung ruhigen Schlaf.
Zoppini sieht Iso/a als Schaufenster für die ganze Welt, Sinnbild eines runderneuerten, zukunftsorientierten Monacos, repräsentiert durch den fortschrittlichen Fürsten Albert. Noch befindet sich das Jet-Set-Domizil in Planung, hat seine Spitznamen allerdings schon weg. Die einen sehen ein gewassertes Raumschiff, andere sprechen von einem kolossalen Gugelhupf. Mit seinen Schrägfassaden und dem innen liegenden Yachthafen hat Isola jedoch eher etwas Mittelalterliches, eine Trutzburg zum Schutz der Millionäre vor dem Pöbel, vor Panzerknackern und dem allgemeinen Neid.
Es wäre nicht das erste Mal, dass Monegassen übers Wasser gehen. Schon in den Siebzigern schuf das Fürstenhaus durch Aufschüttungen Raum für einen neuen Stadtteil, Fontvieille. Geplant ist Fontvieille II, ein Piccola Venezia auf 100 Meter langen Stelzen. Überhaupt sind die Grimaldis von Venedig schwer begeistert. Ihr bislang kühnstes Projekt kann als direkte Hommage verstanden werden, eine schwimmende Stadt für 50.000 Menschen, angesiedelt 1,5 Kilometer vor dem Staatsgebiet, komplett mit mediterranen Palazzi und pittoresken Kanälen. Säulen aus Stahlbeton, sechs Meter dick und 125 Meter hoch, sollen die ineinander verhakten Plattformen stützen.
Tatsächlich versprechen schwimmende Inseln unter allen marinen Bauprinzipien die spannendsten Ergebnisse. Sie können aus Einzelelementen — vornehmlich Stahlbetonpontons — zusammengefügt oder gleich als komplette schwimmfähige Stadt errichtet werden. Theoretisch sind der Größe keine Grenzen gesetzt. Über Trossen am Meeresgrund verankert, passen sie sich der Dynamik des Meeres perfekt an. So ein London oder Paris auf See hat zudem den Vorteil, dass man ganze Stadtviertel vorübergehend abkoppeln und in der Werft renovieren kann, etwa so, als schicke man Chelsea oder Soho zur Generalüberholung. Das Leben im Meer muss sich nicht wegducken wie vor Osaka, als den dortigen Fischen und Krebsen gleich ein kompletter Flughafen auf den Kopf
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