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Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Titel: Nachrichten aus einem unbekannten Universum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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sein. Die Venus beispielsweise liegt der Sonne viel zu nahe. Der Mars ist kaltgestellt. Die Erde liegt genau dazwischen. Ungeachtet etlicher Vereisungen eignet sie sich in idealer Weise für die Entwicklung von Leben. Es ist nicht so heiß, dass alles Wasser verdampft, andererseits nicht so kalt, dass es vollständig gefriert.
    Zweitens darf der Planet eine bestimmte Größe nicht überschreiten, allein schon der Gravitation wegen. Auf einem fünf Mal so großen Planeten wie der Erde würde auch fünffache Schwerkraft herrschen. Dortige Lebewesen wären flach wie Flundern, wahrscheinlich aber gar nicht erst entstanden.
    Drittens spielt die Rotationsgeschwindigkeit eine Rolle. Das kennen wir schon von Solon, der mondlosen Erde. Dreht sich ein Planet zu schnell, fliegt das Leben aus der Kurve. Ist er zu langsam, wird er sich in endlos langen Nächten radikal abkühlen, um sich an ebenso langen Tagen extrem aufzuheizen.
    Viertens gilt: kein Leben ohne Atmosphäre, denn ohne Atmosphäre kein Sauerstoff, und ohne Sauerstoff kein langer Atem. Was wiederum erfordert, dass Planeten eine gewisse Mindestgröße nicht unterschreiten dürfen. Sonst werden sie zu leicht, und Leichtgewichte können eine Atmosphäre nicht oder nur schlecht an sich binden. Zu guter Letzt ist eine feste Oberfläche vonnöten, auf der man herumspazieren und sich weiterentwickeln kann.
    So weit die klassische Lehre.
    So weit Unsinn, befand der große, viel zu früh verstorbene amerikanische Astronom Carl Sagan. All dies sei vielleicht erforderlich, um irdisches Leben hervorzubringen, wie wir es kennen. Auf dem Jupiter zum Beispiel könnten Menschen sicherlich nicht überdauern.
    Andere aber schon.
    Nun ist ausgerechnet Jupiter der letzte Platz im Universum, an den man sich wünscht. Ein giftiger Gasriese, 309 Mal schwerer als die Erde. Tief im Inneren ruht ein metallischer Kern mit fester Oberfläche, keinesfalls geeignet, um darauf zu landen und umherzuspazieren. Entweder man verwandelt sich unter dem herrschenden Druck in Brei oder verbrutzelt in tödlicher Hitze. Hier hat die Natur eine garantiert lebensfeindliche Zone geschaffen, was selbst Sagan einräumte.
    In den höheren Schichten der Gashülle jedoch könnten sich durchaus Lebensformen entwickelt haben. Die Atmosphäre des Jupiter ist gesättigt mit organischen Molekülen: prima Futter für Photosynthese betreibende Kreaturen, die Essen und Sex im Schnellverfahren erledigen müssten, bevor sie dem Sog der Gravitation erliegen. Unsereiner stirbt an Altersschwäche oder im Auto, erfriert im Himalaya, ertrinkt in der Badewanne oder verschluckt sich an einer Gräte. Jupiterwesen werden ausnahmslos zum Kern gezogen und enden als angebrannter Brei.
    Diese frühen Lebensformen nennt Sagan »Sinker«. Schließlich lernen einige der Schwebewesen im Verlauf ihrer Entwicklung, Wasserstoff zu speichern. Damit verwandeln sie sich in »Schweber«, die wie Zeppeline in Jupiters Atmosphäre treiben und gigantischen Quallen ähneln. Dem Größenwachstum dieser Wesen wäre keine Grenze gesetzt. Irdische Astronauten in einem Expeditionsgefährt würden angestrengt nach ihnen Ausschau halten, bis ihnen aufginge, dass sie längst von einem verschluckt wurden. Eher ist aber anzunehmen, dass Schweber keine Astronauten fressen. Sie dürften eine ähnliche Rolle einnehmen wie Bartenwale, friedliche Kolosse, die organische Biomasse abweiden. Bis auf einige, kleinere Schweber, die einen anderen Weg beschreiten und ihre Manövrierfähigkeit verbessern. Damit entwickeln sie sich zu Jägern, die den sanften Riesen auf die Pelle rücken. Parasitäre Winzlinge wiederum befallen Schweber und Jäger, bis nach und nach eine komplexe Nahrungskette entstanden ist. Schlussendlich können wir uns extremophile Einzeller auf der Oberfläche und im Inneren des Eisenkerns vorstellen, Destruenten, die sich von den Überresten abgesunkener Tiere ernähren.
    So reizvoll Sagans Gedankenspiel anmutet, bleibt eines unbestritten: Planeten mit Wasser stellen die aussichtsreichsten Kandidaten für die Evolution des Lebens. Land hingegen — nicht zu verwechseln mit fester Oberfläche — ist reiner Luxus. Entsprechend vorrangig beschäftigen sich Astronomen und Exobiologen mit Wasserwelten. Und entwerfen aufregende Szenarien.
    Holen wir also ein letztes Mal die Orion aus dem Hangar, polieren das Bügeleisen und lauschen dem rheinischen Countdown. Bei null geht ein Zittern durch das Schiff. Langsam steigen wir auf, hochgesogen vom künstlichen

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