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Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Titel: Nachrichten aus einem unbekannten Universum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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fiel. Meeresströmungen werden nur geringfügig beeinträchtigt, Nährstoffe aus dem Meeresboden gelangen weiterhin ins Wasser; alle sind zufrieden.
    Nippon spielt auch hier an vorderster Front. Mitte der Neunziger begann die Firma Mega-Float in der Bucht von Tokio mit schwimmenden Modulen zu experimentieren. Geplant sind PlattformElemente von 300 Mal 60 Metern, an Pilonen angekettet am Meeresgrund. Die Herstellung erfolgt in einer robotergesteuerten Werft. Was die Konstrukteure vor allem interessiert, ist, wie sich ihre Modulstädte verhalten, wenn sie über lange Zeit wechselndem Seegang ausgesetzt sind. Wasser neigt dazu, an festen Strukturen herumzuzerren, bis sie auseinander brechen. Hinzu kommt eine nicht zu unterschätzende korrosive Wirkung durch Salze und Mineralien. Dem will Mega-Float mit Titanbeschichtungen und ausgeklügelten Kontrollsystemen entgegenwirken. Mindestens hundert Jahre sollen die Modelle halten, auf denen man übrigens leben kann, ohne seekrank zu werden. Ab einer gewissen Größe sind schwimmende Städte ebenso magenfreundlich wie New York, Berlin oder Rom. Theoretisch kann man bei Windstärke 8 Billard spielen.
    Nur was passiert, wenn ein Tsunami herangerollt kommt, ist nicht hinreichend geklärt. Solange er unter der Insel hindurchläuft, haut es einen allenfalls von den Beinen. Das aber setzt voraus, die Insel über tiefen Gewässern an Trossen zu verankern, die Hunderte bis Tausende von Metern nach unten reichen. Isola, Mega-Float und ähnliche Konstruktionen sind jedoch (noch) für Flachmeere vorgesehen. Wie es sich mit der Beschaulichkeit verhält, wenn eine 20 Meter hohe Superwelle in die Uferpromenaden kracht, lässt sich kaum abschätzen. Einen Teil des Aufpralls dürfte die flexible Konstruktion der Module schlucken. Dennoch könnte es dem Inselstaat ebenso ergehen wie der Propellerinsel, die es am Ende in Stücke schlägt. Oder doch nicht?
    Nun ja, sagt Kikutake, Tsunamis sind natürlich ein Problem. Aber weniger auf dem Meer. Was an der Wasseroberfläche schwimmt, wird sich im Zweifel ähnlich verhalten wie ein Schiff und den heranrasenden Wellenberg erklimmen, falls der Tsunami so weit draußen überhaupt eine nennenswerte Höhe aufweist. Falls ja, fällt halt der Nippes aus der Vitrine. Wenigstens wird man aber nicht gleich aus den Schuhen gespült, und was ganz und gar zu Bruch geht, ist ein Fall für die Werft.
    Dass es sich in schwimmenden Städten leben lässt, bezweifelt eigentlich niemand mehr. Bleibt die Frage, wie dieses Leben aussehen wird. Der elegante Monsieur Verne stattete seine Nautilus in rührender Zeitverbundenheit mit einem Raucherzimmer aus, in dem keine Havannas gereicht wurden, sondern Zigarren aus nikotinhaltigen Algen. Wieder mal war es Verne gelungen, in einer einzigen Szene Fragen aufzuwerfen, die uns heute mehr denn je beschäftigen: Welche Art Infrastruktur brauchen wir, um dem Landtier Mensch gerecht zu werden, wie weit kann sich der moderne Mensch entwurzeln, um sich neuen Lebensräumen anzupassen? Vielleicht werden Raucher in Zukunft von Marlboro-Tauchern umworben: Come to Marlboro Island. In Anlehnung an einen alten Werbespruch hieße es: Ich schwimm’ meilenweit für eine Camel Filter.
    Zitat aus Die Propellerinsel:
    »Jedes Mal, wenn Pinchiat und Frascolin bis zum vorderen oder hinteren Ende des Juwels des Pazifiks, bis zum Rammsporn oder bis zur Heck-Batterie, vorstießen, stimmten beide überein, dass hier Kaps, Vorgebirge, Landzungen, Buchten und Sandstrände fehlten. Diese Küste stellte nichts weiter dar als eine stählerne Böschung, die Millionen von Schrauben und Nieten zusammenhielten. Wie sehr hätte wohl ein Maler die verwitterten Felsen vermisst, zerfurcht wie die Haut eines Elefanten, mit Tang und Algen bewachsen, die die Brandung bei Flut sanft streichelte? Wahrhaftig, die Schönheit der Natur ließ sich durch ein technisches Wunderwerk nicht ersetzen.«
    Kilometer vom Festland entfernt, einzig durch schnurgerade Brücken damit verbunden oder auch ganz losgelöst, werden wir unsere Lebensgewohnheiten radikal umstellen müssen. Weniger im Hinblick auf zerklüftete Küsten, die man notfalls gestalten könnte. Eher, was die Ernährung betrifft. Klar gibt’s Boeuf Bourgignon und Schweinespießchen. Hamburger aus Tang und Krabbenfleisch dürften jedoch häufiger zu finden sein. Ozeanische Städte werden neuartige Methoden zur Fischzucht erproben, Hydro- und Aquakultur betreiben, auch aktiven Umweltschutz. Trinkwasser etwa wird in

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