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Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Titel: Nachrichten aus einem unbekannten Universum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Sicherheitsabstand zwischen uns und die Gammaschleuder gelegt.
    Es wird Sie nicht wundern zu erfahren, dass Melotts Theorie umstritten ist. Supernovae hinterlassen kosmische Staubwolken oder Schwarze Löcher, die indes aus der fraglichen Zeit nicht nachzuweisen sind. Andererseits, so Melott, ist seit damals so viel Zeit vergangen, dass die Milchstraße zweimal um sich selber rotierte. Wer will da noch Spuren finden.
    Die Geschichte der Ozeane ist somit auch eine Geschichte des Weltraums. Alles ist eins, wie die Indianer Westkanadas sagen, hisnuk ish ts’ awalk. Ohne Outer Space kein Inner Space. Der Weltraum hat seinen Anteil daran, dass die Erde so und nicht anders aussieht, und mischt sich darum immer wieder gerne ein.
     

 
Die spinnen, die Geologen!
    Wenn das die alten Kelten wüssten: Schon wieder ein Name für eine Erdperiode, den sie unwissentlich geprägt haben. Ist das Ordovizium benannt nach dem streitbaren Stamm der Ordovizier im nördlichen Teil von Wales, verdankt sich das Silur den tapferen Silurern im Süden. Wie, fragt man sich, kommen Geologen bloß auf solche Namen? Warum bezieht sich das Kambrium, immerhin eine Periode von 42 Millionen Jahren, auf Cambria, die römische Bezeichnung für Nord-Wales? Weil die kambrischen Berge in dieser Zeit entstanden sind?
    Das Kind muss einen Namen haben. Mitunter ergibt der sogar Sinn: Karbon etwa, eine Periode, zu der wir noch kommen werden. Carbo heißt Kohle, und damals entstanden überall auf der Welt ausgedehnte Kohlevorkommen. So was ist von Relevanz! Hingegen wurde die Periode des Devon, zwischen Silur und Karbon gelegen, nach der englischen Grafschaft Devonshire benannt, die zweifellos von großem Liebreiz ist. Ohne den ehrbaren Einwohnern von Devonshire zu nahe treten zu wollen, sei dennoch die Frage gestattet, was um alles in der Welt das Zeitalter der Fische mit den Vorzügen der englischen Riviera, herzkranzverfettenden Sahnetörtchen und wilden Dartmoor-Ponies zu tun hat. Würde es uns wundern, wenn eines Tages ein paar Dutzend brachliegender Millionen Jährchen nach einem kleinen gallischen Dorf benannt werden, das erbittert Widerstand leistete? Wie würde Obelix wohl die Ausrufung des Asterixiums kommentieren? Die spinnen, die Geologen?
    Tatsächlich ist es gar nicht so einfach, Epochen und Lebewesen unter halbwegs brauchbaren Namen zu versammeln, mit denen die Wissenschaft was anfangen kann. Beispielsweise haben die Fossilien in den Ediacara-Hügeln völlig neue Erkenntnisse über das Leben im ausgehenden Präkambrium gebracht, sodass man endlich eine klaffende Lücke schließen konnte. Und natürlich wäre es dem Gegenstand der Untersuchung angemessen gewesen, das Zeitalter der Weicheier oder Schlabberschläuche auszurufen, doch das klingt selbst auf Lateinisch ziemlich dämlich. Vor allem aber wäre es den Umständen nicht gerecht geworden. Die Ediacara-Fauna bestand zwar unter anderem aus Adolf Seilachers ominösen Luftmatratzen, aber nicht nur: Da waren immer noch jede Menge Bakterien, Archäen und primitive Mehrzeller unterwegs. Es gäbe Aussagen zu treffen über klimatische Besonderheiten, Vulkanausbrüche und Meteoriteneinschläge, Kontinentalwanderungen und die Zusammensetzung der Atmosphäre. Woran soll man sich nun orientieren bei der Namensgebung? An allem? Geht nicht. Dann nehmen wir doch lieber den Namen der Schwiegermutter oder Herzallerliebsten.
    Das Namensproblem verdeutlicht eine fundamentale Schwäche geologischer Zeitachsen. Sie verzerren unsere Weltsicht. Wir sehen nur das jeweils Neue einer Periode. Der Rest scheint verschwunden, ausgelöscht vom Fortschritt. Nach den Einzellern kamen die Vielzeller. Zwischendurch traten Luftmatratzen in Erscheinung, denen zu Beginn des Kambriums die Luft ausging, und es folgte das Imperium der Hartschalen. Plötzlich besaß alles Panzer, Klauen, Zangen und Zähne. Die meisten Panoramen der Evolution verabschieden sich mit dem Landgang der ersten Tiere aus den Ozeanen und werfen nur noch gelegentlich einen Blick hinein. Spätestens wenn die Saurier dahergestampft kommen, spielen die Blödmänner im Wasser keine Rolle mehr. Das setzt sich fort bis zum Auftreten des Menschen, den wir als so fortschrittlich erachten, dass er in seiner Bedeutung alles weitere Leben auf die Plätze verweist.
    Eine große Schwäche der Geologie besteht darin, dass sie es bis heute kaum fertig gebracht hat, das Leben jeweils als Gesamtheit darzustellen und die Bedeutung einzelner Spezies über ihre

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