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Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Titel: Nachrichten aus einem unbekannten Universum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Gleichzeitigkeit zu definieren. Sie vermittelt uns ein Nacheinander. Eine Ära löst die andere ab. So entzückt sind wir von dem lustigen dicken Lurch namens Ichtyostega, der vor 365 Millionen Jahren als eine der ersten Amphibien an Land herumspazierte, dass uns entgeht, was zur gleichen Zeit an Bedeutsamem unter Wasser geschah. Nur wenige geologische Skalen erwähnen ein Zeitalter der Insekten. Gemeinhin fallen diese zwischen Trilobiten, Protofischen, ersten Landpflanzen und frühen Reptilien unter den Tisch. Als Ichtyostega aufs Trockene stieg, wimmelte es da bereits von Tausendfüßlern, Spinnen und Skorpionen, aber irgendwie scheint Lurchi dem Menschen näher zu sein als der Arthropode.
    Selbst als die Insekten fliegen lernten, kamen sie nicht zu ihrem Recht, weil sich Farne, säugetierähnliche Reptilien und ein paar wuselige Nager vordrängelten. Natürlich ist es schwer, zu allen Zeiten das komplette Spektrum des Lebens in Relation zueinander zu setzen, aber den Versuch wäre es schon wert. Ansonsten nämlich werden Menschen nie begreifen, welchen Platz im Katalog des Lebens sie de facto innehaben. Und dass wir, wenn überhaupt, seit dem Archaikum im Zeitalter der Bakterien leben. Sie regieren die Welt, gefolgt von Ameisen, Termiten und Wanderheuschrecken. Wir sind nur eine Variante inmitten einer ungeheuren Vielfalt, eine Spezies, die kurzsichtig ist, weil sie ausschließlich große und komplexe Wesen erkennt und nur, was offensichtlich erfolgreich ist. Diese Sichtweise ist falsch, und sie führt zu gefährlichen Schlüssen.
    So gesehen ergibt es schon wieder Sinn, eine Periode nach einem walisischen Kleinkönigreich zwischen Monmouth, Brecon und Glamorgan zu benennen, wo die Silurer im Jahr 48 nach Christus erbitterten Widerstand gegen Rom leisteten. Wir sind gar nicht so weit weg vom kleinen gallischen Dorf. Sir Roderick Murchinson, Präsident der Geologischen Gesellschaft London, gab dem Silur einst seinen Namen, weil er Felsformationen im Stammesgebiet der Silurer heranzog, um die fragliche Periode geologisch zu beschreiben. Es gereiche den Kelten zur Ehre — und helfe uns, die Erdgeschichte umfassender zu verstehen.
    Zurück in die Vergangenheit. Nachdem auch die Eiszeit gewichen war, herrschte weitgehend schönes Wetter. Wieder einmal war der Meeresspiegel angestiegen und hatte Teile der kontinentalen Platten überflutet. Das Silur ist gekennzeichnet von ausgedehnten Korallenriffen in riesigen tropischen Flachmeeren, speziell im Gebiet des heutigen Nordamerika und Nordeuropa. Dort, aber auch in Australien, finden wir immer noch großflächige Salzablagerungen aus der Zeit, als die Fluten schließlich zurückgingen. Sonnendurchhusch- te Schelfmeere sind ideale Geburtsstätten für das Leben, auch für das an Land. Mit einiger Sicherheit wissen wir, dass in feuchten Niederungen und entlang der Küstenzonen Algen und Urfarne, auch erste Pilze wuchsen. Dazwischen dürften sich kleine Krebse getummelt haben, die aus Facettenaugen einer großen Karriere als Käfer, Spinnen, Zecken, Schaben und so weiter entgegensahen. Statt Kiemen atmeten sie über Tracheen, verzweigte luftgefüllte Röhrchen, dank derer sie das Wasser überhaupt verlassen konnten. Das stabile Exoskelett stützte sie gegen die Schwerkraft, die an Land viel stärker auf sie einwirkte als in der relativen Schwerelosigkeit des Meeres.
    So bemerkenswert das war, ging es unter Wasser immer noch weit spannender zu. Allerdings hatte das Leben einiges nachzuholen. Miss Evolution trug ein Schwesternhäubchen und päppelte die dezimierte Fauna wieder auf. Die Architekten der Meere, die Korallen, machten sich an neue Bauvorhaben, schwer gebeutelt, aber ebenso wenig kleinzukriegen wie die Kolonien bildenden Moostierchen und Brachiopoden, denen die Katastrophe ebenfalls Opfer abverlangt hatte. Allmählich besiedelten wieder Seelilien und Seesterne die Riffe — kurz, alles, was dem Aussterben knapp entgangen war, kam nachsehen, ob die Luft rein sei.
    Sie war es. Mehr noch, eine erneuerte Ozonschicht filterte die tödliche UV-Dosis der Sonnenstrahlen aus der Atmosphäre und gestattete fröhliches Wiederaufblühen. Das Silur ist eine Zeit der Genesung. Graphtolithen eroberten die hohe See zurück und bildeten alle möglichen Varianten aus, während sich die Trilobiten berappelten, allerdings nie wieder jene Artenvielfalt erreichten wie in den Jahrmillionen vor dem kosmischen Blitz. Auch die Nautiloiden, jene modebewussten Kopffüßer mit den langen und

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