Nachrichten aus einem unbekannten Universum
es zwei Drittel der Fauna kalt erwischt. Dabei hätte man sich an Vereisungen doch gewöhnt haben sollen. Außerdem war man viel höher entwickelt als die kleinen Weichlinge, denen das Varanger-Eis die gute Laune einfrieren ließ, also was war so schlimm an dieser Eiszeit, dass sie zum zweitgrößten Massensterben der Erdgeschichte führte?
Da muss doch noch mehr gewesen sein, dachte sich der Astronom Adrian Melott von der Universität Kansas. Ihm war schleierhaft, warum nach Jahrmillionen tropischer Wärme plötzlich wieder die Gletscher Oberhand gewannen. Gängigen Erklärungen zufolge war einer der bösen Meteoriten schuld. Ein zehn bis zwölf Kilometer großer Asteroid oder Meteorit entfesselt immerhin die Energie von rund zehn Milliarden Hiroshima-Bomben, was eine Menge Staub aufwirbelt. Genug, um die Smoghülle, die sich über den Erdball legt, so zu verdichten, dass sie für die Dauer eines Jahres überhaupt kein Sonnenlicht mehr durchlässt. Bis sich der Staub zentimeterdick abgelagert hat, sind die Temperaturen weltweit drastisch gefallen und große Teile der Flora und Fauna zugrunde gegangen.
Allerdings fand Melott keine Erklärung dafür, warum nur jene Lebewesen der Tod ereilte, die in oberflächennahen Wasserschichten zu Hause gewesen waren, wie etwa Trilobiten. Die hatte es nämlich besonders übel erwischt. Was sich hingegen tiefer tummelte, kam weitgehend unbeschadet davon. Melott und sein Team untersuchten die Überreste von Trilobiten aus der Zeit des Periodenwechsels und machten eine unheimliche Entdeckung. Möglicherweise war der Grund für den Exitus gar nicht auf der Erde zu finden. Ein Monstrum aus den Tiefen des Alls war schuld.
Das Leben war einer Supernova zum Opfer gefallen.
Um das zu verstehen, müssen wir die Erde kurz verlassen und in den Weltraum reisen.
Ein Stern bleibt stabil, solange der Druck, den der Fusionsreaktor in seinem Inneren erzeugt, seine Eigengravitation kompensiert. Sprich, unter seinem Gewicht müsste ein Stern eigentlich in sich zusammenstürzen, aber solange er ordentlich Energie nach außen powert, geschieht das nicht. Wenn ein Stern nun stirbt, durchläuft er verschiedene Prozesse, in deren Verlauf ihm das Brennmaterial ausgeht. Als Folge plustert er sich zu einem roten Riesen auf, bis die Schwerkraft siegt und er praktisch in sich selbst gesogen wird. Sein Kern kollabiert, der äußere Mantel wird in einer gewaltigen Explosion abgeworfen. Wir können solche Supernovae aus ferner Vergangenheit mit unseren Teleskopen sehen. Man hat weniger den Eindruck einer Explosion als vielmehr der Geburt eines neuen Sterns — daher der Begriff Nova. Die Leuchtkraft nimmt urplötzlich um das Milliardenfache zu, Unmengen Gammastrahlen schießen ins All hinaus, das meiste entlang der Rotationsachse. Während das Zentrum des Sterns weiter in sich zusammenstürzt, werden Strahlung und Partikel weit hinausgeschleudert in den Weltraum.
Ein solcher Gammablitz — zumal wenn die Erde parallel zur Achse des kollabierenden Sterns gelegen hätte und dieser nahe genug gewesen wäre — würde ausgereicht haben, die Ozonschicht unseres Planeten binnen weniger Minuten zu zerstören.
Unvermittelt wäre die Erdoberfläche einer 50 Mal höheren UV- Strahlung ausgesetzt gewesen als zuvor. Zwar bietet Wasser Schutz vor kosmischer Strahlung, allerdings erst ab einer gewissen Tiefe. Dies würde das Massensterben in den oberen Schichten erklären und auch, warum weiter unten so gut wie keine Schäden zu beklagen waren. Zudem hätte eine Supernova zur Entstehung eines Smogmantels beigetragen, woraufhin es automatisch kälter werden musste. Und das wurde es ja. Eine halbe Million Jahre hat die Eiszeit gedauert, die das Silur, die nächste Station auf unserer Zeitreise, einleitete.
Lange Zeit mochte man der Hypothese vom Gammablitz keinen Glauben schenken. Inzwischen wissen wir, dass eine Supernova einem Vernichtungsschlag gleichkommen kann, wenn sie nur nahe genug stattfindet. Im Augenblick droht uns nichts Derartiges. Allerdings gibt ein Weißer Zwerg in 150 Lichtjahren Entfernung Anlass zur Besorgnis. HR 8210 könnte bald schon in einem solchen Blitz aufgehen, und 150 Lichtjahre sind gerade mal um die Ecke. Deswegen müssen wir trotzdem nicht gleich mit dem Bau unterseeischer Städte beginnen — ein geologisches »bald schon« bezeichnet einige hundert Millionen Jahre. Außerdem dehnt sich das Universum weiter aus. Wenn es so weit ist, haben wir hoffentlich einen ausreichenden
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