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Nachschrift zum Namen der Rose

Nachschrift zum Namen der Rose

Titel: Nachschrift zum Namen der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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aufdecken, wer
    sie sind.
    Hätte Manzoni, als er Die Verlobten schrieb, auf die geäus-
    serten Wünsche des Publikums hören wollen, er hätte sich's
    leicht machen können, die Formel war da: der historische
    Schinken in mittelalterlichem Milieu mit Heroengestalten wie
    in der antiken Tragödie, Königen und Prinzessinnen, großen
    und edlen Leidenschaften, Schlachtengetümmel und Verherrli-
    chungen der Größe Italiens zu einer Zeit, als Italien noch Her-
    renland war. So hatte er es ja noch in seinem Adelchi-

    * im Original deutsch (A. d. Ü.)
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    Drama getan, so haben es vor ihm, mit ihm und nach ihm
    zahlreiche mehr oder minder vergessene Geschichtsroman-
    schreiber getan, von dem Kunstgewerbler d'Azeglio über den
    glühenden und blutrünstigen Guerrazzi bis zu dem unlesbaren
    Cantù.16 Was aber tut Manzoni? Er nimmt das 17. Jahrhundert,
    eine Zeit der Versklavung Italiens, und lauter niederträchtige
    Typen, der einzige Haudegen ist ein Schuft, und Schlachten
    kommen nicht vor, und er traut sich sogar, die Geschichte noch
    zu belasten mit Zeitdokumenten und Schreien... Und das gefällt
    den Leuten, es gefällt einfach allen, Gebildeten wie Ungebil-
    deten, Großen wie Kleinen, Frömmlern wie Pfaffenfressern!
    Warum? Weil Manzoni intuitiv erfaßt hatte, daß genau dies es
    war, was die Leser seiner Zeit brauchten, auch wenn sie's nicht
    wußten, auch wenn sie nicht danach verlangten, auch wenn sie
    nicht glaubten, daß es verdaulich sei. Anpassung? Haschen nach
    Publikumsgunst? Leicht gemacht? Ach je... Gearbeitet hat er,
    und wie! Mit Feile, Säge und Hammer, und mit dem Poliertuch,
    um sein Produkt genießbar zu machen. Um die empirisch
    vorhandenen Leser zu zwingen, sich in den Idealleser zu
    verwandeln, der ihm vorgeschwebt hatte.
    Manzoni schrieb nicht, um dem vorgegebenen Publikum zu
    gefallen, sondern um ein Publikum zu erschaffen, dem sein
    Roman ganz einfach gefallen mußte. Und wehe, er hätte nicht
    gefallen, man sehe nur, mit welcher Scheinheiligkeit und
    Seelenruhe er von seinen »fünfundzwanzig Lesern« spricht.
    Fünfundzwanzig Millionen, das wollte er.
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    Was für einen Idealleser wünschte ich mir, als ich schrieb?
    Einen Komplizen, gewiß, der mein Spiel mitmachte. Ich wollte
    ganz und gar mittelalterlich werden und im Mittelalter leben, als
    wäre es meine Zeit (und umgekehrt). Aber gleichzeitig wollte
    ich auch mit allen Kräften, daß ein Leser Gestalt annähme, der
    nach überstandener Initiation meine Beute würde, beziehungs-
    weise die Beute des Textes, und dann nichts anderes mehr zu
    verlangen glaubte als das, was der Text ihm. bot. Ein Text will
    für seinen Leser zu einem Erlebnis der Selbstveränderung wer-
    den. Du glaubst, du willst Sex und Crime und viel Action, eine
    spannende Krimistory, bei der am Ende herauskommt, wer der
    Schuldige ist, aber du würdest dich schämen, einen ehrwürdigen
    Schauerschinken mit schwarzen Händen des Todes und
    finsteren Ränkeschmieden im Klostergemäuer zu akzeptieren.
    Na schön, ich gebe dir einen Haufen Latein und wenig Frauen
    und Theologie in Hülle und Fülle und Blut in Strömen wie
    weiland im Grand Guignol, bis du protestierst: »Nein, alles
    falsch, da mach ich nicht mit!« Und an diesem Punkt mußt du
    soweit sein, daß ich dich habe, daß du den Schauder der
    unendlichen Allmacht Gottes verspürst, die jede Ordnung der
    Welt zunichte macht. Und wenn du dann gut bist, erkennst du
    sogar, wie ich dich in die Falle gelockt habe, schließlich hatte ich's dir bei jedem Schritt deutlich gesagt, ich hatte dich
    unüberhörbar gewarnt, daß ich dabei war, dich ins Verderben zu
    ziehen! Aber das Schöne an Teufelspakten ist ja gerade, daß
    man sie
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    klarsichtig unterschreibt, wissend, mit wem man sich einläßt.
    Wofür käme man sonst zum Lohn in die Hölle?
    Und da ich bei alledem wollte, daß als vergnüglich genommen
    werde, was uns als einziges wirklich zittern macht, nämlich der
    metaphysische Schauder, blieb mir nichts anderes übrig, als unter
    den Handlungsmustern das metaphysischste und philosophisch-
    ste auszuwählen, nämlich den Kriminalroman.
    8 Hec locustae ubi angelus perdictionis super eas imperat — Ubi
    locustae ledunt homines: Die fünfte Posaune ertönt, und aus dem Brunnen des Abgrunds kommen Heuschrecken, »und die Heuschrecken
    sind gleich den Rossen, die zum Kriege bereitet sind... und hatten
    Schwänze gleich den Skorpionen, und es waren Stachel an ihren
    Schwänzen; und ihre Macht war, zu

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