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Nachschrift zum Namen der Rose

Nachschrift zum Namen der Rose

Titel: Nachschrift zum Namen der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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vertreten worden, um genau diesen Effekt zu erzielen,
    und waren gemünzt auf traditionelle, fundamental versöhn-
    lerisch eingestimmte Romane ohne erwähnenswerte Innova-
    tionen gegenüber der Problematik des 19. Jahrhunderts. Daß
    sich dann starre Fronten bildeten und nicht selten aus jeder
    Mücke ein Elefant gemacht wurde, oft aus Gründen des
    Bandenkrieges, ist fatal. Ich erinnere mich, daß unsere Gegner
    damals Lampedusa, Bassani und Cassola waren19 - drei Autoren,
    die ich heute nicht mehr in einen Topf werfen würde. Lampe-
    dusa hatte einen guten Roman zur Unzeit geschrieben, und wir
    polemisierten gegen den Kult, der um ihn gemacht wurde, als
    habe er der italienischen Literatur einen neuen Weg gewiesen,
    während er ganz im Gegenteil einen anderen glanzvoll abschloß.
    Über Cassola habe ich meine Meinung nicht geändert. Über
    Bassani dagegen würde ich heute sehr, wirklich sehr viel
    behutsamer
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    reden, und wären wir noch im Jahr '63, würde ich ihn als
    Weggefährten akzeptieren. Aber es geht mir hier um ein anderes
    Problem.
    Niemand erinnert sich nämlich mehr, was dann 1965 geschah,
    als die Gruppe erneut in Palermo zusammenkam, um über den
    experimentellen Roman zu diskutieren (und der Band mit den
    Tagungsbeiträgen, erschienen 1966 bei Feltrinelli unter dem
    Titel Il romamzo sperimentale, ist sogar immer noch lieferbar).
    Dabei war im Verlauf jener Tagung allerhand Interessantes zu
    hören. Vor allem das Eröffnungsreferat von Renato Barilli, dem
    einstigen Theoretiker sämtlicher Experimente des Nouveau
    Roman, der sich nun mit dem neuen Robbe-Grillet auseinander-
    setzte, und mit Grass und mit Pynchon (vergessen wir nicht, daß
    Thomas Pynchon heute zu den Begründern der literarischen
    »Postmoderne« gezählt wird - aber damals gab es diesen Begriff
    noch nicht, jedenfalls nicht in Italien, und John Barth in Amerika
    fing gerade erst an). Barilli zitierte den wiederentdeckten
    Roussel, der Jules Verne geliebt hatte, und er zitierte Borges nur
    darum nicht, weil dessen Neubewertung damals bei uns noch
    nicht eingesetzt hatte. Und was sagte Barilli? Daß man bisher die
    »Abkehr von der Intrige« privilegiert habe und den »Stillstand
    der Handlung im Aufschein und Rausch der Materie«
    (exemplarisch in Robbe-Grillets La Jalousie). Aber daß nun eine
    »neue Phase der erzählenden Kunst« beginne mit einer »Wieder-
    aufwertung der Handlung«, wenn auch einer strukturell anderen
    (einer »action autre«).
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    Ich analysierte danach die Eindrücke, die wir am Vorabend
    bei einem Kinobesuch gehabt hatten, als wir eine kuriose
    Filmcollage von Baruchello und Grifi sahen, Verifica incerta,
    eine Geschichte aus lauter Fetzen von anderen Geschichten, aus
    Standardsituationen, Klischees und Stereotypen des kommer-
    ziellen Kinos. Wobei ich hervorhob, daß die Stellen, an denen
    das Publikum sichtlich am meisten Vergnügen gehabt hatte,
    immer genau die Stellen waren, an denen es wenige Jahre zuvor
    noch Empörung gezeigt hätte, nämlich jedesmal dann, wenn die
    logischen und die zeitlichen Folgen des traditionellen Hand-
    lungsablaufs übersprungen und die Erwartungen der Zuschauer
    heftig frustriert wurden. Die Avantgarde war im Begriff,
    Tradition zu werden; was ein paar Jahre zuvor noch dissonant
    geklungen hatte, wurde zum Ohrenschmaus (oder zur Augen-
    weide). Daraus gab es, folgerte ich, nur einen Schluß zu ziehen:
    Die »Inakzeptabilität der Botschaft« sei nicht mehr länger das
    Hauptkriterium für experimentelles Erzählen (oder für jede
    beliebige andere experimentelle Kunst), da nun das Inakzeptable
    als vergnüglich kodifiziert worden war. Was sich abzeichne, sei
    ein versöhntes Zurück zu neuen Formen von Akzeptablem und
    Vergnüglichem. Wenn es zu Zeiten von Marinetti und seinen
    futuristischen Abenden noch unverzichtbar war, daß die Zuhörer
    vor Empörung aufheulten, sei es heute, sagte ich, »unproduktive
    und dumme Polemik, wenn jemand ein Experiment für
    gescheitert erklärt, weil es als normal akzeptiert worden ist«;
    dergleichen sei »stures Festhal-
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    ten an den Wertmustern der historischen Avantgarde, und in
    diesem Moment ist der eventuelle Avantgardekritiker bloß noch
    ein verspäteter Marinettianer. Bedenken wir, daß die Inakzepta-
    bilität der Botschaft für den Empfänger nur in einem ganz
    bestimmten historischen Augenblick eine Wertgarantie war...
    Ich fürchte, wir müssen allmählich auf jenen Hintergedanken
    verzichten, der immer noch unsere

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