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Nachschrift zum Namen der Rose

Nachschrift zum Namen der Rose

Titel: Nachschrift zum Namen der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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naivsten Lesarten eigen-
    artigerweise die »strukturellsten« waren:Der Leser ist
    unmittelbar, ohne Vermittlung durch die Inhalte, mit der
    Tatsache in Berührung gekommen, daß es unmöglich ist, nur
    eine Geschichte zu haben.
    9 »Hunc mundum tipice laberinthus denotat ille … Intranti largus, redeunti sed nimis artus. Die Bibliothek ist ein großes Labyrinth, Zeichen des Labyrinthes der Welt. Trittst du ein, weißt du nicht, wie du wieder herauskommst. Man soll die Säulen des Herkules nicht
    antasten...« (Alinardus von Grottaferrata in Der Name der Rose, S. 201) 66

    Skizze des einstigen Labyrinths auf dem Boden der Kathedrale zu Reims: ein Achteck mit vier eckturmartigen Achtecken, in denen die Baumeister mit ihren Symbolen dargestellt sind; in der Mitte angeblich der
    Kathedralengründer Erzbischof Aubri de Humbert. »Das Labyrinth wurde
    im 18. Jahrhundert von dem Kanonikus Jacquemart zerstört, weil ihn das Spiel der Kinder verdroß, die während der Gottesdienste den
    verschlungenen Gängen zu folgen versuchten, zu offenkundig perversen
    Zwecken.« (Text auf der hinteren Umschlagseite der italienischen
    Originalausgabe von II nome della rosa)
    Die Unterhaltung
    Ich wollte den Leser unterhalten, er sollte Spaß an der Sache
    haben. Zumindest soviel, wie ich daran hatte. Dies ist ein sehr
    wichtiger Punkt, der scheinbar im Gegensatz zu den reflektier-
    testen Ansichten steht, die wir vom Roman zu haben meinen.
    Unterhalten heißt nicht zerstreuen, ablenken von den
    Problemen. Robinson Crusoe will seinen Idealleser unterhalten, indem er von Buchhalteroperationen erzählt, von Alltagsverrich-tungen eines braven homo oeconomicus, der diesem Leser sehr
    ähnelt. Doch der Robinson-Ähnliche soll, während er sich an der
    Lektüre seiner selbst in Robinson Crusoe ergötzt, auch etwas
    mehr über sich selbst begreifen und damit ein anderer werden.
    Er soll, während er sich unterhält, etwas lernen. Ob der Leser
    etwas über die Welt oder etwas über die Sprache lernen soll, ist
    eine Frage, in der die Poetiken der erzählenden Kunst diver-
    gieren, aber das ändert nichts an der Grundidee. Der Idealleser
    von Finnegans Wake soll sich am Ende genausogut unterhalten
    wie der Leser von Winnetou. Zumindest genausogut. Allerdings auf andere Weise.
    Nun ist jedoch der Begriff Unterhaltung historisch.
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    Es gibt verschiedene Arten von Unterhaltung für jede »Saison«
    des Romans. Unbestreitbar hat der moderne Roman versucht,
    die Unterhaltung durch den dramatischen Handlungsverlauf
    (den »Plot« oder das, was man früher »Intrige« nannte)
    abzubauen, um dafür andere Arten von Unterhaltung zu
    privilegieren. Ich als großer Bewunderer der Poetik des
    Aristoteles bin trotz allem immer der Ansicht gewesen, daß ein
    Roman auch und vor allem durch seine Handlung unterhalten
    soll.
    Zweifellos findet ein Roman, wenn er unterhaltsam ist.
    Anklang beim Publikum. Nun hat man jedoch eine Zeitlang
    geglaubt, daß Anklang beim Publikum (also Konsens und damit
    »Erfolg«) ein Zeichen für Minderwertigkeit sei. Wenn ein
    Roman beim Publikum Anklang finde, liege das daran, daß er
    nichts Neues bringe und den Lesern nur gebe, was sie bereits
    erwartet hätten.
    Ich glaube indessen nicht, daß es dasselbe ist, ob man sagt:
    »Wenn ein Roman den Lesern gibt, was sie erwartet haben,
    findet er Anklang«, oder ob man sagt: »Wenn ein Roman
    Anklang findet, liegt das daran, daß er den Lesern gibt, was sie
    erwartet haben.«
    Die zweite Behauptung ist nicht immer richtig. Man braucht
    nur an Defoe oder Balzac zu denken, um schließlich bei der
    Blechtrommel oder bei Hundert Jahre Einsamkeit anzu-
    kommen.
    Mancher wird nun hier einwenden, daß die Gleichsetzung
    von Konsens und Minderwertigkeit doch gerade bestärkt
    worden sei durch gewisse polemische
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    Thesen, die wir seinerzeit in der »Gruppe 63« vertraten18, auch
    schon vor 1963, als wir den Erfolgsroman mit dem »versöhn-
    lerischen« Roman gleichsetzten und den »versöhnlerischen«
    Roman mit dem traditionellen »Handlungsroman«, wogegen wir
    die experimentelle Literatur verherrlichten, das avantgardis-
    tische Werk, das Empörung hervorruft und vom großen
    Publikum abgelehnt wird. Es stimmt, diese Thesen sind damals
    vertreten worden und hatten durchaus einen Sinn, es waren
    genau die Thesen, die am meisten Empörung bei den
    konformistischen Literaten hervorriefen und im Gedächtnis der
    Chronisten bis heute haftengeblieben sind - zu Recht, denn sie
    waren

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