Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)
Mittelfeld, wo ich mich auch am wohlsten fühlte.
In meinem ersten Jahr in der A-Jugend feierte ich genau auf dieser Position meinen bis dato größten Erfolg. Am 27. 6. 2004 wurden wir Deutscher Meister. Den Tag vor dem großen Finale, auf das wir die gesamte Saison lang hingearbeitet hatten, verbrachten wir in einem Hotel in der Nähe des Stadions. Am Abend fand dort auch die Abschlussbesprechung statt, in der uns der Trainer auf den Gegner einstellte und uns die üblichen taktischen Anweisungen mit auf den Weg gab. Alles nichts Neues, eine Besprechung wie jede andere zuvor auch vor einem Punktspiel. Doch die Spannung war schon hier zum Greifen nahe, obwohl noch eine Nacht zwischen uns und dem großen Endspiel lag. Es war still wie auf einer Beerdigung. Kein Mucks, kein Husten, kein Lacher, nichts. Nur die tiefe, sonore Stimme unseres Trainers war zu hören. Die Nervosität war immens, doch am nächsten Morgen wachte ich bereits mit dem seltsam sicheren Gefühl auf, dass wir dieses Spiel für uns entscheiden würden.
In einem einseitigen Finale gewannen wir im Sportpark Unterhaching vor den Toren Münchens drei zu null gegen den Sieger der Junioren-Bundesliga West VfL Bochum, der bis dato noch ungeschlagen geblieben war. Ich machte im Mittelfeld an der Seite von Andreas Ottl ein richtig gutes Spiel, räumte eine Menge an gegnerischen Angriffen ab, lief mir fast die Lunge aus dem Leib, machte kaum Fehler und hätte sogar um ein Haar noch einen Treffer erzielt.
Grenzenloser Jubel über die Deutsche Meisterschaft. Hier recke ich den Pokal gen Himmel.
Die letzten Minuten der Partie waren der reinste Genuss. Ich glaube, so wohl habe ich mich nie wieder auf dem Fußballplatz gefühlt. Das Spiel war entschieden, der Gegner am Boden, und wir ließen den Ball in den eigenen Reihen laufen. Wohl wissend, dass hier nichts mehr anbrennen würde. Bis zu diesem Zeitpunkt herrschte Badewetter mit schwül-heißen Temperaturen. Doch dann kühlte es merklich ab, und es setzte Regen ein, nur ganz leicht. Es nieselte fein von oben herab. Der eine oder andere Spieler mag dies gar nicht bemerkt haben, auch weil viele sich am Ende einer langen Saison mit Krämpfen plagten. Ich aber musste während des Laufens grinsen. Genau das hatte noch gefehlt für einen perfekten Abschluss. Mein Fußballwetter. Wenn es nicht zu heiß, aber auch nicht zu kalt ist, der Rasen durch den feinen Regen eine leicht rutschige Oberfläche bekommt und einen ganz eigenen Geruch verströmt, den ich am liebsten als Parfüm konservieren würde. Alles an diesem Tag war unheimlich intensiv, und ich werde ihn wohl nie vergessen. Die ausgelassenen Feiern danach am allerwenigsten.
Am eindringlichsten blieb mir ein Bild von meinem Vater haften, einem eigentlich eher wenig euphorischen Zeitgenossen. Direkt nach dem Abpfiff sprintete er die Treppen von der Tribüne hinunter zu mir an die Bande am Spielfeldrand. Er war so unglaublich stolz auf mich, und wir umarmten uns stürmisch und lachend. Wir waren dabei beide so ungestüm, dass wir in dem Moment heftig mit den Köpfen zusammenprallten. Ihn sollte noch Tage später ein kleines Veilchen über dem Auge zieren.
In meinem zweiten Jahr in der A-Jugend blieb unserer Mannschaft ein weiterer Erfolg versagt, und wir spielten als Team keine gute Saison. Für mich aber lief alles wie am Schnürchen. Mein Trainer Kurt Niedermayer, ein wahrer Fußballexperte, den ich, auch menschlich, noch immer sehr schätze, ernannte mich zum Kapitän. Ich spielte die meiste Zeit sehr ordentlich, machte kaum Fehler und strotzte auf dem Platz nur so vor Selbstvertrauen. Ein Mitspieler sagte einmal Jahre später zu mir, ich hätte damals gespielt, als ob ich bereits über zweihundert Serie-A-Begegnungen auf dem Buckel gehabt hätte. Gegen Ende der Saison durfte ich dann schon ein paar Spiele in der zweiten Mannschaft, also bei den Bayern-Amateuren, bestreiten. Kurz darauf unterschrieb ich meinen ersten Amateurvertrag. Ich war im Erwachsenenfußball angekommen.
Nach dem Abendessen setzt sich unverhofft ein alter Greis zu mir und stellt vorsichtig einen länglichen Holzkasten auf den Tisch. Wie sich herausstellt, ist der Mann Susis Großvater und gleichzeitig Besitzer der Anlage. Er redet sehr bedächtig und langsam, doch zu meinem Erstaunen spricht der Opa relativ passabel Englisch. Was das Holzgebilde neben uns darstellen soll, hat sich mir allerdings noch nicht wirklich erschlossen. Bis der alte Mann zittrig zwei Schlägel in die Hand
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