Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)
fahren. Auch wenn dieser Umstand als Mitfahrer damals recht nervig war, haben sich die Zusatzkilometer für den deutschen Fußball bekanntlich mehr als gelohnt.
Wir wurden alle nacheinander von unserer jeweiligen Schule abgeholt, nach München gefahren, bekamen Essen, es wurde trainiert, und abends ging es dann wieder nach Hause. Dazwischen mussten noch irgendwie die Hausaufgaben erledigt werden. So wurde es schon mal zehn Uhr abends oder später, bis ich wieder vor meiner Haustür in der Carl-Orff-Straße in Rosenheim stand. Und am nächsten Morgen wieder Schule. Ein straffes und hartes Programm, keine Frage. Allerdings unterstützten mich meine lieben Eltern, wo sie nur konnten. Davon abgesehen tat ich es gerne für meinen großen Traum, Fußballprofi zu werden, daher beschwerte ich mich erst gar nicht. Und ganz nebenbei erlernte ich durch diesen Tagesablauf Selbständigkeit und Disziplin, was mir später zugutekommen sollte. Zum Beispiel, als ich bereits mit siebzehn meine erste eigene Wohnung in München bezog.
In der Folge durchlief ich von der D-Jugend an alle Nachwuchsmannschaften beim FC Bayern und kann durchaus behaupten, dass ich das sehr erfolgreich tat. Ich fing als Offensivspieler an und gewann den einen oder anderen Pokal als Torschützenkönig bei diversen Turnieren. Deshalb waren meine jährlichen Sorgen auch völlig unangebracht. Es war sonnenklar, dass ich am Ende jeder Saison in die nächsthöhere Jugendmannschaft übernommen wurde.
Schon in dieser Altersklasse herrschte ein striktes Leistungsprinzip. Wer zu schlecht war oder sich nicht schnell genug entwickelte, der flog nach der Saison. Als ich mein erstes Jahr in der A-Jugend spielte, der höchstmöglichen Jugendmannschaft, waren außer mir noch ganze zwei Spieler übrig von meinem ersten Team in München. Trotz meiner Fähigkeiten und des guten Standings in der Mannschaft hatte ich zwischendurch immer ein Stück weit Angst, dass sich das Blatt plötzlich wenden und mir sozusagen gekündigt würde.
Andere Kollegen jedoch hatten dieses Schreckensszenario weit mehr zu fürchten. Das bedeutete schon im frühen Jugendalter einen hohen mentalen Druck, der bei so manchem Mitspieler auch nicht gerade geringer wurde, wenn ihm zusätzlich noch die bisweilen übermotivierten Eltern zweifelhafte Tipps gaben oder selbst langsam in Panik verfielen. Zudem hielt sich das Feedback der Trainer stark in Grenzen bezüglich dieser Entscheidung. Auf der einen Seite auch verständlich, dass man einem Dreizehnjährigen nicht wöchentlich Wasserstandsmeldungen abgibt über seine Zukunft, sondern ihn einfach mal machen und möglichst frei spielen lässt. Auf der anderen Seite befeuerte diese vorsichtige Haltung aber natürlich die Diskussionen untereinander. So wurde häufig im Mannschaftskreis spekuliert, wen es treffen könnte, das Thema war allgegenwärtig. Kurz vor Saisonende teilte der Trainer den betroffenen Jungs dann mit, dass ihr Weg beim FC Bayern hier leider zu Ende ging. Wie das im Detail ablief, habe ich nie erlebt. Glücklicherweise.
Natürlich gesellten sich zu dem sportlichen Teil die üblichen Probleme eines Heranwachsenden. Frauen wurden irgendwann ein immer wichtigeres Thema, und da passte mir das Training nicht immer unbedingt in den Kram. Auch war ich, wie jeder pubertierende Bengel, zeitweise furchtbar unzufrieden mit mir und der Welt, ohne genau sagen zu können, warum eigentlich. Alles in allem war es aber eine schöne und unbeschwerte Zeit, auch wenn ich sie vielleicht ein wenig anders verbrachte als die meisten meiner Bekannten. Bereits in meiner ersten Saison in München wurde ich überhäuft von sportlich überwältigenden Eindrücken, die ich nicht so schnell vergessen sollte.
Sichtlich zufrieden verlasse ich den Platz bei einem Jugendturnier.
Im Winter stand ein Hallenturnier im ostdeutschen Neubrandenburg an. Eigentlich nichts Besonderes, wir spielten bei zahlreichen solchen Turnieren auf Parkettboden mit, um den Schnee draußen während der Winterpause umgehen zu können. Besonders viel los war eigentlich nie, für den Jugendbereich interessiert sich in Deutschland fast niemand, ganz im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern. Doch dieses Turnier war anders, es war ein richtiges Event. Die Halle war bis auf den letzten Platz mit gut dreitausend Zuschauern ausverkauft. Und das bereits Wochen vor Beginn des Turnieres. Sogar eine Art Schwarzmarkt soll es gegeben haben, auf dem noch einige wenige Karten für ein Vielfaches des
Weitere Kostenlose Bücher