Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)
und wir konnten auch mit den Topteams Europas mithalten. Doch auch schon in diesem Turnier feierte ich zumindest einen kleinen persönlichen Triumph. Ich erzielte ein Tor gegen Real Madrid, über das ich mich diebisch freute. Allerdings nur innerlich, denn es war der Treffer zum eins zu fünf aus unserer Sicht – da wäre ein Jubel mit schwingender Hüfte an der Eckfahne doch eher unangebracht gewesen. Wir kamen am Ende mit zwei zu acht unter die Räder, ich glaube, ich habe später nie wieder so hoch verloren. Aber egal, wer kann schon von sich behaupten, ein Tor gegen Real Madrid geschossen zu haben?
Die kommenden Jahre durchlief ich Stück für Stück die einzelnen Jugendmannschaften und genoss eine exquisite fußballerische Ausbildung beim größten Fußballverein Deutschlands. Ich hatte immer den Drang, mich zu verbessern, und lernte in jungen Jahren eine Menge unter anderem von Jan Pienta, meinem ersten Trainer in München. Oder von Hermann Hummels, dem Vater vom heutigen Nationalspieler Mats, der uns Spieler altersgerecht und mit vorausschauenden Zielsetzungen förderte, ohne dabei der Versuchung des kurzfristigen Erfolgs zu erliegen.
Später, in der B-Jugend, war Stephan Beckenbauer mein Coach. Der Sohn des Kaisers prägte mich vor allem charakterlich. Er sorgte dafür, dass der Spaß im Training nie zu kurz kam, und half mir, meine Verbissenheit dann abzulegen, wenn sie nicht nötig war. Gleichzeitig machte er uns pubertierenden Jungs immer wieder klar, was es heißt, Profi zu werden, und appellierte an uns, die richtige Einstellung zu unserem Beruf zu finden. In so manche seiner Entscheidungen bezog er mich sogar ein Stück weit mit ein, womit er mich automatisch dazu brachte, Verantwortung zu übernehmen und das große Ganze im Auge zu haben, nicht nur meine persönlichen Bedürfnisse.
Meisterschaftsspiel im Jahr 2000 als C-Jugendlicher.
Susi und Made rufen mich in den Essensraum, der zu den Seiten hin offen gebaut ist. Dort wartet auf mich eine Überraschung. Ein kleiner balinesischer Mann, vielleicht Mitte vierzig, steht am Rand des Raumes. Er trägt zerlumpte graue Hosen, die von Dreck übersät sind, sein dunkelblaues, zerknittertes T-Shirt scheint uralt zu sein. Als er mir irgendetwas auf Balinesisch mitteilen will, erkenne ich, dass der Mann vielleicht noch fünf Zähne im Mund hat. Sein Lächeln ist dennoch wahnsinnig einnehmend. Trotzdem frage ich mich, was er hier eigentlich will. Dann hebt er seine Hand und reicht mir mit ausladender Geste ein schwarzes Etwas. Meinen Geldbeutel.
Susi und Made klären mich in ihren wenigen Wörtern Englisch auf, dass dieser Mann ein Bauer aus dem Umland ist und unweit seines Feldes die Brieftasche auf der Straße gefunden hat. Darin befand sich unter anderem eine Visitenkarte ihres Homestays. Also schwang er sich auf sein rostiges Motorbike und tuckerte schnurstracks hierher.
Es fehlt nichts. Das gesamte Geld und die Bankkarte sind noch drin. Ich kann mein Glück kaum fassen. Der Kerl ist für mich der Mann des Tages, so viel steht fest. Ich biete ihm einen Finderlohn an für seine Mühen. Er wirkt fast schon empört und weigert sich standhaft, etwas anzunehmen. Das geht minutenlang so. Ich muss den Mann geradezu anbetteln, damit er das Geld nimmt. Irgendwann lenkt er dann doch ein und nimmt verschämt die kleine Entschädigung an sich. So, wie er sich plötzlich freut, scheint es ein Vermögen für ihn zu sein. Mich juckt der Betrag hingegen nicht wirklich, schon gar nicht im Vergleich zu dem, was ich sonst verloren hätte. Und verdient hat es der Bauer allemal, so etwas Uneigennütziges habe ich selten erlebt. Ich bin tief beeindruckt von diesem einfachen, aber von Grund auf ehrlichen Menschen.
Im Laufe der Jahre bekam ich immer mehr Spaß an dem, was man gemeinhin als ehrliche Arbeit auf dem Platz bezeichnet. Ich musste nicht immer nur glänzen, um zufrieden zu sein, sondern hatte auch Spaß daran, mich in den Dienst der Mannschaft zu stellen und eben dadurch aufzufallen. Hauptsache, wir gewannen. Davon abgesehen war ich zwar schon immer ein spielfreudiger Akteur gewesen, den wirklichen kreativen Kopf einer Mannschaft stellte ich allerdings nie dar. Dieses rargesäte Talent, vor intuitiven Ideen auf dem Platz geradezu zu sprühen, besaß ich auch gar nicht. So rutschte ich peu à peu immer weiter nach hinten auf dem Platz, weil sich meine Defensivqualitäten verstärkt ausprägten. Mit sechzehn landete ich dann schließlich als «Sechser» im defensiven
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