Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)
nimmt und anfängt zu spielen. Es ist eine Art Xylophon, bei dem die einzelnen Stabtasten aus mehr oder weniger dickem Bambusholz bestehen.
Nach einer Weile drückt er mir das Ding in die Hand. Ich klimpere völlig wahllos auf dem Bambusgerät herum, bis ich immerhin «Alle meine Entchen» hinkriege. Oder zumindest etwas in der Richtung. Ich kann dem Ganzen nicht gar so viel abgewinnen, aber Opa hat auf jeden Fall seinen Spaß, so viel steht fest. Das Xylophon ist sein ganzer Stolz, er hat es mit eigenen Händen gebaut. Der liebenswürdige Großvater erzählt mir daraufhin ein wenig über sich selbst, und ganz besonders, wie traurig er war, als er in Pension ging. Er verdeutlicht mir, wie es sein Leben stets bereicherte und ihm Erfüllung gab, jungen Leuten etwas beizubringen. Er war früher Lehrer an der örtlichen Schule.
Zusätzlich zur erfolgreichen sportlichen Entwicklung hatte ich endlich eine gewaltige Belastung weniger: die Schule. Nach meiner letzten A-Jugend-Saison hatte ich mein Abitur in der Tasche und konnte mich nun ausschließlich auf den Fußball fokussieren. Doch irgendwie war ich trotzdem sehr traurig, als die Schule zu Ende ging.
Zu diesem Zeitpunkt lebte ich bereits seit vier Jahren in München. Das Training war einfach zu viel geworden, um weiterhin von Rosenheim aus pendeln zu können. Inzwischen waren es rund sechs bis sieben Einheiten pro Woche, dazu meist ein Spiel am Wochenende. Auf dem städtischen Gymnasium, das ich in München besuchte, hatte ich einige gute Freunde gefunden, die mir in Zukunft fehlen würden. Sie hatten mir einfach gutgetan. Auch wenn sie mich vorrangig, wie fast alle Leute in meinem Umfeld, über den Fußball definierten. Ein Großteil meiner Gespräche in der Schule begann mit einer Einstiegsfrage zu meiner sportlichen Situation oder über Bayern München im Allgemeinen. Ich konnte das in gewisser Weise auch verstehen. Schließlich wusste fast jeder, dass ich ein erfolgreicher Sportler war. Doch nach und nach musste ich aufpassen, dass meine eigene Identität nicht zu einer rein sportlichen verkam.
Schließlich gerieten auch für mich wie bei jedem Pubertierenden andere Themen in den Vordergrund, denen ich mich mit meinen Schulfreunden widmen konnte. Aus der letzten Reihe wurden die neuesten Frisuren oder Klamotten der hübschesten Mädels analysiert oder lebhaft über die besten Clubs der Stadt diskutiert. Einige meiner Kumpels hatten so viel Ahnung vom Fußball wie ich von Einsteins Relativitätstheorie. Dafür spielte einer in einer Band, und ein anderer war in Sachen Politik immer auf dem neuesten Stand. So konnte ich in einem gewissen Maß meinen Horizont erweitern, wenn ich mich mit meinen Freunden auch mal über solche Dinge unterhielt. Vom Großteil meiner Münchner Schulkameraden erfuhr ich Unterstützung und auch Bewunderung für meinen Lebensstil. Das war nicht immer so gewesen seit meinem Wechsel zum FC Bayern. Ich hatte schon früh viel mit Neid zu kämpfen. Das begann damit, dass einige der Jungs zu Hause plötzlich nicht mehr mit mir spielen wollten. All die Jahre zuvor hatten wir in unserer Straße die verschiedensten Dinge unternommen, und von einem auf den anderen Tag wollten sie plötzlich nichts mehr mit mir zu tun haben und grenzten mich systematisch aus. Sie hatten von meinem bevorstehenden Wechsel Wind bekommen.
Auch wenn die wahren Freunde damals schon zu mir hielten, war ich doch ziemlich überfordert mit dieser Reaktion der anderen. In meinem Verein in Rosenheim erging es mir nicht besser. Dort war man ebenfalls alles andere als begeistert von meinem Vorhaben mit dem FC Bayern. Und das ließen mich einige Mitspieler auch spüren. Nur wenige schienen sich aufrichtig mit mir zu freuen. Auf dem Gymnasium in Rosenheim war es dasselbe Spiel. Eigentlich musste ich zu dieser Zeit überall aufpassen, was ich sagte und wie ich mich verhielt. Außer in den eigenen vier Wänden. Es war nicht immer einfach für mich, mit Anfang zwölf mit dieser Situation umzugehen. Doch im Laufe der Jahre legte sich dieses Problem zum Glück immer mehr.
Es mag auch am reiferen Alter gelegen haben, dass mir in München auf der Schule nur wenig Neid begegnete. Ich war eben einfach «der Fußballer» an der Schule und galt allein schon deshalb ein wenig als Exot, weil ich mit siebzehn bereits eine eigene Wohnung hatte und Geld verdiente. Diese frühe Selbständigkeit hatte ich all meinen Freunden voraus. Doch ich verhielt mich möglichst normal, denn so fühlte ich
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