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Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)

Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)

Titel: Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Heinze
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mich auch. Natürlich war ich stolz wie Oskar, wenn ich mal wieder von einer Länderspielreise zurückkam und am Tag darauf in das Klassenzimmer einmarschierte. Doch dieses Gefühl genoss ich lieber für mich.
    Überhaupt erzählte ich von mir aus so gut wie gar nichts über meine Fußballlaufbahn. Denn ich wollte auf keinen Fall in irgendeiner Art abgehoben wirken, darauf war ich fast schon verbissen bedacht. Dieses Verhalten resultierte sicherlich auch aus meinen Erfahrungen in Rosenheim, die mich geprägt hatten. Positiv, da sich meine Arroganz auf ein Minimum reduzierte. Negativ, weil ich manchmal meinen durchaus vorhandenen Stolz über meine Leistungen fast schon krampfhaft unterdrückte. So befand ich mich in einem permanenten Zwiespalt, denn ich verlangte, wie jeder normale Mensch, nach Anerkennung, hielt aber gleichzeitig meine Erfolge relativ klein.
    Deshalb wusste ich auch nicht, ob ich mich freuen sollte oder nicht über eine Durchsage, die der Direktor in der zwölften Klasse machte. Er gratulierte mir via Lautsprecher im Namen der gesamten Schule zum Gewinn der Deutschen A-Jugend-Meisterschaft. Meine Klassenkameraden brachen in spontanen Beifall aus, während ich völlig überrascht und mit verschämt rotem Kopf, aber eben gleichzeitig auch mit stolzem Grinsen im Gesicht, auf meinem Stuhl saß. Einer meiner Lehrer war fußballbegeistert, hatte sogar das Finale als Zuschauer vor Ort verfolgt und unseren Direktor informiert, wie ich später von ihm erfuhr.
    Neben all den schönen Erlebnissen mit meinen Freunden wurde mir aber auch immer wieder vor Augen geführt, was ich alles opfern musste für den Fußball. Wieder und wieder musste ich meinen Leuten absagen, wenn sie mich fragten, ob ich Zeit hätte. Ich war sehr oft unterwegs auf Reisen und auch ansonsten wegen der vielen Trainingseinheiten häufig ausgebucht. Ich hörte dann im Nachhinein die Geschichten von den lustigen Partys, auf denen meine Freunde waren, oder den Konzerten, die sie besuchten. Und ich müsste lügen, wenn es mir nichts ausgemacht hätte. Am schlimmsten war es für mich, dass ich an unserer Abifahrt in der Kollegstufe nicht teilnehmen konnte. Der Verein erlaubte mir nicht zu fahren, weil ein Vorbereitungsspiel anstand und ich als Kapitän der Mannschaft gebraucht wurde. Natürlich musste ich nicht immer auf alles verzichten und habe auch damals schon ab und zu mal eine Disco von innen gesehen. Dennoch waren Unternehmungen mit Freunden rar gesät, und ich hatte schon immer mal wieder das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Doch übertüncht wurde dieser Eindruck ganz klar von meinem großen Traum, den ich unbedingt erreichen wollte. Und für diesen Traum verzichtete ich gerne auf die eine oder andere Party.
Nachdem wir uns noch eine Weile unterhalten hatten, ist Opa müde geworden und hat sich schlafen gelegt. Ich schlendere zum Ende der Anlage. Nur wenige Meter vor der Steinmauer, auf der ich die kleinen Surfer beobachtet habe, steht eine Art kleines Rondell. Mit einem niedrigen Holztisch und einem Stapel Sitzkissen. Hier mache ich es mir gemütlich. Endlich komme ich mal richtig runter und entspanne mich bei guter Musik aus meinem MP3-Player. Es ist inzwischen spätabends, aber so warm, dass ich immer noch oben ohne und in kurzer Hose hier sitze. Mitten hinein in meine kleine Oase der Harmonie platzt dann aber eine genauso altbekannte wie unnütze Frage: «Was wäre gewesen, wenn ich mich damals nicht verletzt hätte? Wie wäre meine Karriere dann verlaufen?»
    Ich kann nicht einmal sagen, wie es passiert ist oder warum. Der Schmerz war auf einmal da. Es war kurz vor dem letzten Spiel der A-Jugend-Saison. Mir taten von heute auf morgen meine Leisten in beiden Beinen weh. Ich wollte es nicht wahrhaben und lief trotz heftiger Schmerzen auf. Nach einer knappen halben Stunde und ohne dass ich einen einzigen Sprint schmerzfrei machen konnte, gab ich es auf und ließ mich auswechseln.
    Während meine Kollegen in den wohlverdienten Urlaub starteten, verbrachte ich die Zeit damit, mich um mein Problem zu kümmern. Nachdem alle Mediziner über zwei Monate im Dunkeln getappt waren, stellte ein Arzt schließlich die Diagnose: beidseitiger Leistenbruch. Ich war fast erleichtert, denn endlich wusste ich, was es war, und konnte gezielt etwas dagegen tun.
    Ich wurde also zweimal operiert, zuerst links, dann rechts. Anschließend sollte ich ein paar Wochen keinen Sport treiben und dann nach und nach die Belastung steigern. Etwa sechs Wochen nach der

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