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Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)

Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)

Titel: Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Heinze
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achtete auf das fußballerische Potenzial eines Akteurs. Ich war immer einer der Kleinsten gewesen und dazu eher ein Spätzünder in meiner Entwicklung. So waren die meisten meiner Gegner in dieser Zeit einen Kopf größer als ich. Doch ich wusste mich zu wehren und vor allem durchzusetzen, und das schien Stöber zu gefallen. Ich war zwar nicht sein Kapitän, doch nahm er mich immer mal wieder zur Seite und fragte mich nach meiner persönlichen Meinung zu anderen Spielern, wenn er sich nicht ganz sicher war, wie er sie einschätzen sollte.
    Einen Tag vor dem Abflug zur ersten Runde der EM-Qualifikation brach ich mir in einem bedeutungslosen Trainingsspiel gegen eine ortsansässige Mannschaft den Knöchel. Ich stieg hoch zum Kopfballduell, erwischte auch den Ball, doch bei der Landung trat ich in ein kleines Loch im Platz und verdrehte mir den rechten Fuß. Den Schmerz empfand ich dabei als gar nicht mal sonderlich schlimm, vielmehr das Geräusch im Moment des Umknickens schockierte mich. Selbst Mitspieler, die zwanzig Meter oder mehr von mir entfernt standen, hörten dieses fiese, alles durchdringende Knacken. Man will es zwar in diesem Augenblick nicht wahrhaben und versucht, sich etwas anderes einzureden, aber ich wusste sofort, dass etwas kaputt war.
    Noch im verdreckten Spieloutfit wurde ich umgehend ins Krankenhaus gefahren. Es war meine erste erwähnenswerte Verletzung, und ich war sehr gefrustet. Nach meiner Rückkehr besuchte mich der Trainer höchstpersönlich auf meinem Hotelzimmer, mein Fuß war bereits eingegipst worden. Er unterhielt sich mit mir über die Mannschaft und die kommenden Monate, als wäre ich nicht am Fuß lädiert, sondern immer noch Teil der Truppe. Von da an wusste ich, dass er auf mich setzt und ich wieder dabei sein würde, sobald ich fit wäre. So kam es dann auch, und ich zahlte das Vertrauen mit konstant guten Leistungen zurück.
    Unter den vielen Länderspielreisen war der «Mundialito» 2002 im italienischen Salerno ein ganz besonderes Highlight. Allein schon weil das Turnier äußerst namhaft besetzt war. Im Auftaktspiel gegen Frankreich zogen wir denkbar knapp den Kürzeren. Wir waren zwar spielerisch keinesfalls schlechter, aber die Franzosen hatten uns athletisch einiges voraus, besonders die dunkelhäutigen Spieler waren einfach in dem jungen Alter schon größer und körperlich robuster als wir.
    In der zweiten Partie wartete ein fußballerischer Leckerbissen auf uns: kein Geringerer als der Rekordweltmeister aus Brasilien. Am Vortag wurden wir gemeinsam mit unserem Gegner zu den Trainingsplätzen kutschiert, die nur einen Katzensprung auseinanderlagen. Kaum hatte der Fahrer den Motor angelassen, da ging auch schon die Party los unter den Brasilianern, die sich vorne im Bus niedergelassen hatten. Das gesamte Team fing an, lautstark fröhlich zu singen und dabei einträchtig Sambarhythmen auf den Sitzarmaturen zu klopfen. Wir, im hinteren Teil des Busses, sahen uns ungläubig und verwirrt an. Für die Brasilianer schien es aber ganz normal zu sein, den Bus in eine fahrende Disco zu verwandeln. Ich kam mir vor wie beim Karneval in Rio und hätte am liebsten angefangen zu tanzen, so einladend klang der Gesang.
    Nach einer Weile wollten wir das Ganze so nicht auf uns sitzenlassen. Irgendeiner von uns fing tatsächlich an, «Wahnsinn» von Wolfgang Petry zu grölen. Ich hoffe, er schämt sich noch heute dafür. Wie auch immer, wir stimmten alle ein und brüllten die schöne Sambamusik mit mehrmaligem «Hölle Hölle Hölle» binnen kürzester Zeit nieder. Die Brasilianer waren erst erschrocken, was man auch verstehen kann, letztendlich aber mussten beide Lager laut lachen, und die restliche Fahrt über wechselten wir uns freundschaftlich ab mit unseren Darbietungen. Später im Hotel kamen wir mit einigen der Jungs ins Gespräch, und ich tauschte ein Trainingsshirt mit einem Spieler aus Rio.
    Auf dem Platz kannten wir allerdings keine Freundschaft und ließen den Sambakickern, die selbst beim Aufwärmen rhythmisch klatschten und sich tänzelnd fortbewegten, keine Chance. Nachdem wir im abschließenden Spiel auch noch Argentinien bezwingen konnten, stand am Ende ein ehrenwerter dritter Platz. Und eine Menge neue Erfahrungen auf internationalem Parkett nahmen wir ebenfalls mit in die deutsche Heimat.

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