Nacht der Dämonen
Macht und Voraussicht geschaffen, sie liegen dem Wesen des Seins nicht inne«, antwortete Saureb. »Ich schaue in meinen Spiegel und sehe die Verkommenheit und Ungerechtigkeit und Gnadenlosigkeit in Elkad – da drängt sich mir der Gedanke auf, dass – wenn ich schon nicht die ganze Menschheit zu vernichten mag – ich doch zumindest diese Welt von einer Pestbeule wie dieser Stadt befreien kann.«
Verärgert entgegnete Sonja: »Wenn Euer Spiegel Euch Dinge zeigt, die Ihr nicht sehen mögt, dann solltet Ihr vielleicht besser überhaupt nicht mehr hineinschauen!«
Saureb lächelte. »Aber das würde doch nichts an dem ändern, was der Spiegel zeigt, noch an meiner Verantwortung. Doch manchmal frage ich mich wahrhaftig, ob ich Herr der Dämonen dieses Spiegels bin oder ihr Sklave …«
»Verantwortung?« fragte Sonja immer noch verärgert. Sie spürte, dass Tiamu neben ihr sich schläfrig regte.
»Lasst es mich so sagen«, antwortete der Zauberer. »Wolltet Ihr nicht auch den Tod des Söldners für das, was er Euch vor so langer Zeit angetan hat?«
Ihr fast schmerzhaft verzerrter Gesichtsausdruck war ihm Antwort genug.
»Ja, Sonja – ich habe in meinem Spiegel etwas von dem gesehen, was Ihr erlitten habt. Habt Ihr nicht fünf Jahre gewartet in der Hoffnung auf Rache an dem, der Euch das Schlimme angetan hat, und durch den Ihr Euer unstetes, endloses Wanderleben angetreten habt? Bei mir ist es nicht anders. Ich habe eine Verpflichtung mir selbst gegenüber, die mit diesen Menschen in der Stadt verbunden ist. Und nun muss ich, mich fragen: bin ich der vom Schicksal Gelenkte – oder bin ich das Schicksal?«
»Was haben diese Menschen Euch denn getan?« fragte Sonja.
»Was tun die Menschen den Göttern – jenen, die sie zu verehren vortäuschen und doch jeden Tag ihres Lebens verfluchen? Mein Mentor, Zarutha, erlegte mir diese Aufgabe auf – ich wollte, er hätte sie zum Befehl gemacht, statt es mir zu überlassen zu entscheiden, ob die Menschen von Elkad ein solches Los verdienen! Doch ich glaube, mein Richtspruch ist in seinem Sinn – und bald wird die Gerechtigkeit ihren Lauf nehmen. O ja, es gibt weit zwingendere Gründe für meine Verantwortung als simple Rache. Sie kennen mich nicht in der Stadt, und doch kennen sie mich, denn sie verehren mich indirekt als den ›Gott‹ Zarutha. Sie flehten mich um Vergeben für sich an und beteten, dass mein Zorn auf ihre Feinde herabkäme. Und nun, da ich mich ihnen gegenüberstellte und Zauber gegen sie wirkte, ist das Geheimnis gelüftet und die Wirklichkeit wird kommen. Die Zeit von Muthsas Prophezeiung eilt ihrer Erfüllung entgegen, und bald werden wir unsere Rolle darin spielen müssen.
Doch immer noch quält mich die Frage: Bin ich Herr oder Sklave meiner Zauberkräfte? Beherrschen wir das Leben oder beherrscht es uns?«
»All das interessiert mich wenig, Saureb. Ich möchte Euch gern eine Frage von unmittelbarer Bedeutung stellen.«
»Was wollt Ihr wissen?«
»Ihr erwähntet die Rolle, die wir alle in diesem – dieser Bestimmung, spielen müssen, vor der Ihr sprecht.« Sonja holte Luft und fuhr fort: »Was ist Keldums Rolle darin?«
»Glaubt Ihr, er hat eine?«
»Treibt keine Spielchen mit mir, Zauberer!« Sonjas blaue Augen blitzten gefährlich. »Weshalb habt Ihr ihn verschont, während Ihr seinen Trupp mit Zauberfeuer versengtet? Ihr hättet ihn mit Leichtigkeit töten können – doch Ihr habt es nicht getan!«
Saureb seufzte. »Wisst Ihr, Sonja, die Welt ist voll seltsamer Dinge, doch hier ist etwas, das zu glauben Ihr schwer finden werdet. Keldum ist ein Wahrer Geist, genau wie wir drei hier in dieser Höhle.«
»Wa-as? Dieser verruchte …«
Sie fing sich, als sie sah, dass ihr heftiger Ton Tiamu geweckt hatte. Etwas ruhiger fuhr sie fort: »Das verstehe ich wirklich nicht, Saureb. Dieser Mann ist verdorben und hochmütig wie selten einer. Wenn er tatsächlich einer Eurer ›Wahren Geister‹ ist, welchen Wertmesser kann diese Bezeichnung dann haben?«
»Den gleichen wie den, der manche Menschen vom Tier unterscheidet.« Saureb runzelte die Stirn, als müsse er seine Gedanken sammeln. »Wahre Geister sind zum lautersten Guten und zum verruchtesten Bösen imstande – und sowohl im Guten als auch im Bösen übersteigen sie die Vorstellungskraft der Menschen. Manchmal, zu ihrem Schaden, können sie es dem normalen Sterblichen gleichtun – doch der normale Sterbliche kann nie mit ihnen wetteifern, ja nicht einmal sie verstehen. Dieser Keldum,
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