Nacht der Dämonen
Ich möchte, dass Ihr mir helft, wenn ich es morgen erneut versuche. Bis dahin steht Euch die Bibliothek offen, genau wie der Rest des Tempelbaus. Das heißt, wenn Ihr Euch einverstanden erklärt.«
»Ja – ich werde Euch helfen«, versicherte ihm Sost, dem klar war, dass er überhaupt keine andere Wahl hatte.
»Eine weise Entscheidung. Ich werde Euch früh am Morgen holen, wenn die aufgehende Sonne uns beim Deuten der Zeichen am meisten unterstützen kann. Lasst Euch bis dahin alles gut durch den Kopf gehen, vielleicht fällt Euch etwas ein, das uns helfen könnte – vor allem, versucht Euch genau an alles zu erinnern, was mit dem Mädchen zusammenhängt. Irgendwie muss es uns gelingen, dieses Netz des Schicksals zu zerreißen, ehe es vollendet ist und die Prophezeiung erfüllt wird. Doch nun muss ich gehen und mit den Zamoriern im Palast verhandeln. Sie verlangen jetzt noch mehr Lösegeld für die Geiseln.«
Während Hefeis Abwesenheit ging es in der Stadt drunter und drüber. Straßenbanden verschiedener Art fielen übereinander her, und die Stadtsoldaten waren nicht imstande, der Banden Herr zu werden, die die Straßen unsicher machten und Geschäfte wie die kleineren Tempel plünderten.’ Keldums geschrumpfter Trupp kehrte gegen Abend in die Stadt zurück – und sah sich einem bewaffneten Feind gegenüber. Am Nachmittag hatte sich ein Teil der Palastgarde mit der Stadtarmee zusammengetan, unter dem Befehl Tusuths, der die allgemeine Furcht zu nutzen gewusst hatte. Er erklärte öffentlich, dass Hefei von den Zamoriern getötet worden sei, und dass die Zamorier zwar vortäuschten, Soldaten in menschlicher Gestalt zu sein, in Wirklichkeit aber Dämonen waren, die der Zauberer Mophis gerufen hatte, und die ihn, als sie einmal Fuß fassten, getötet hatten. Nun war eine Kompanie dieser Zamorier in das verbotene Gebiet im Nordwesten geritten, erklärte er, und würde mit einer noch größeren Armee von Dämonen zurückkehren.
Tusuths Erregung war ansteckend, vor allem die Soldaten waren dafür anfällig. Mahnungen zur Vernunft aus den Reihen der Stadtväter, der Bürger und der wenigen Priester, die nicht als Geisel gehalten wurden, waren nicht sehr zahlreich und wurden auch nicht gehört. Tusuth hatte der Stadt schnell seinen starken Willen aufgezwungen. Es kam zu vereinzelten Scharmützeln, doch gegen Abend patrouillierten die vereinten Kräfte der Stadtsoldaten und Palastwachen unter seinem Kommando durch die Straßen, um in erhöhtem Maß für Ruhe und Ordnung zu sorgen.
Tusuth war kein besessener Ehrgeiziger, der den Thron an sich reißen wollte, sondern war in seinem Aberglauben tatsächlich überzeugt, dass der Stadt und ihren Bürgern ein schreckliches Unheil drohte, das sich nur durch einen gut organisierten Widerstand verhindern ließ. Deshalb mussten seine Patrouillen Ordnung in der Stadt schaffen. Außerdem hatte Tusuth sich mit Uss besprochen, der seinen Priestern den Auftrag erteilt hatte, an diesem Nachmittag mit Opferungen zu beginnen, die Glocken zu läuten und Gongs zu schlagen und Zeremonien der Läuterung zur Rettung der Stadt durchzuführen.
Eine kleine Gruppe von religiöser Furcht besessener Bürger begab sich zum Tempel, um sich als lebende Menschenopfer anzubieten, falls die Priester glaubten, dergleichen würde den Zorn der Dämonen vom Land abwenden. Ihr Angebot wurde angenommen.
Als Keldum und sein geschrumpfter Trupp, mit Hefei in der Mitte, in der Abenddämmerung nach Elkad zurückkehrte, schien Tusuths Vorhersage Bestätigung zu finden. Wahnsinnige Furcht sah in den überlebenden Zamoriern die Vorhut einer Armee von Dämonen und Ungeheuern, die über alle menschliche Vorstellungskraft hinausgingen.
Doch nicht über menschliche Verschwörung. Tusuth befahl seinen Soldaten, sich um das Nordtor zu verstecken, aber nicht anzugreifen, ehe die Zurückkehrenden nicht alle sicher innerhalb der Stadtmauern waren. So ritten Keldum, Gevem und ihre Soldaten ahnungslos durch das Nordtor.
Und das Nordtor wurde hinter ihnen geschlossen.
Hefei, deren Verstand durch die Erschöpfung nicht völlig gedämpft war, fiel auf, dass sich unter der Menge Neugieriger am Tor weder Priester, noch Frauen noch Kinder befanden. Doch kaum war sie sich klar geworden, was das bedeuten musste, sirrte bereits ein Pfeil, und der Zarmorier neben ihr ging zu Boden und sie sah den Schaft aus seinem Hals ragen.
Keldum, der den Angriff einen Herzschlag eher ahnte, verlor seine Beherrschung zum zweiten Mal an
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