Nacht der Dämonen
gesponnen, denn der letzte, in dieser Stadt geborene Wahre Geist – von Tiamu abgesehen – starb vor einer Stunde. O verfluchtes Elkad!« Die Stimme grollte wie die des Jüngsten Gerichts. »O Stadt schmutzigsten Ungeziefers! Saureb sah euch richtig, ihr Huscher und Schleicher, die ihr nach nicht mehr als Mittelmäßigkeit trachtet. In dieser Nacht fand eure Gebieterin die Herzensgröße, die Last der Furcht von euch zu nehmen, und fand dafür noch in der gleichen Stunde den Tod durch Vergiftung. Einen Priester wähltet ihr, sie zu töten – ja, wann waren Priester je etwas anderes als Giftmischer und Mörder? So ist nun die letzte große Seele von euch gegangen, und mit ihr eure letzte Hoffnung. Der vollendende Faden ist gesponnen, und ihr von Elkad habt ihn gesponnen. Nun wird das Netz sich zusammenziehen und das Ungeziefer sitzt in der selbsterrichteten Falle!«
»Wo-womit habe ich mir Euren Grimm zugezogen, o Zarutha?« stammelte Sost.
Das Gesicht im Spiegel blinzelte überrascht – und brach mit einemmal in tiefes, herzhaftes Lachen aus. Dieser Wandel kam so plötzlich, dass Sost verwirrt zurückwich.
»Ah, junger Geist – Wahrer Geist!« Die Stimme schien jetzt ohne Verzerrung durch Entfernung im Gemach zu hallen. »Fürchtest du den Blitz aus des alten Zaruthas Augen? Oder dass ich dich für einen Giftpriester halte wie die anderen? Fürchte dich nicht – ich bin nichts als ein Schatten – du dagegen, bist ein Großer Geist, der bald, wie ich glaube, in den Mittag seines Lebens zieht. Gefahren gibt es sehr wohl, doch ich würde keine davon sein, selbst wenn ich dazu fähig wäre. Ich las den Namen Muthsas auf deinem Priestergewand gestickt, und mehr noch, ich las das Herz, das edel in deiner fleischlichen Hülle schlägt. Doch auch wenn Zaruthas Grimm nichts mit dir zu tun hat, darfst du deinem eigenen Geist in der bevorstehenden Schicksalsstunde nicht untreu werden – denn das wäre eine größere Blasphemie, denn jegliche gegen die Götter!«
»Was muss ich tun?« fragte Sost.
»Begib dich in den Tempel, wie ich dich bereits anwies, und warte dort. Du wirst es wissen, wenn die große Schicksalsstunde geschlagen hat. Und, falls du eines Tages meinem Schüler Saureb begegnest, so möchte ich, dass du ihm dies sagst: ›Nie riet ich dir, Kakerlaken zu lieben!‹«
»Ich – ich – verzeiht, ich verstehe nicht.«
»Sag ihm: ›Eher soll es dir ein Bedürfnis sein, Kakerlaken zu töten, wenn dadurch auch nur ein Wahrer Geist befreit werden kann. Ja, selbst wenn es eine ganze Stadt von Kakerlaken ist!‹«
Übergangslos löste das Gesicht sich auf, das blaue Licht schwand, und Sost sah sich wieder der blanken Oberfläche des Spiegels gegenüber.
»War dies eine wahre Vision?‹‹ murmelte Sost. »Oder etwas aus meinem Wahn geboren? O Tiamu, wüsste ich es bloß! Sah ich, was ich zu sehen glaubte, dann ist diese Welt wahrhaftig nicht, wie man es mich lehrte. Doch dies ist alles, wonach ich mich richten kann.«
Der junge Priester drehte sich um und kramte in des toten Mophis’ Habe in einem Schrank an der hinteren Wand, bis er einige Laib trockenen Brotes, und mehrere Kannen voll Wein fand. Von beidem nahm er sich je eines heraus.
»Ich gehe jetzt, deine Anweisung ausführen, o Zarutha«, sprach er in den leeren Spiegel. Dann öffnete er die Gemachtür, ließ sie hinter sich offen, und schritt entschlossen den Korridor entlang, der ihn aus dem Palast bringen würde.
Dem Straßenklatsch hatte Peth entnommen, dass die Suche Keldums und seines Trupps nach der Roten Sonja sie zu einer feindlichen Begegnung mit einem Zauberer namens Saureb geführt hatte. Er dachte, welches Glück er doch gehabt hatte, dass er nicht dabei gewesen war, denn wie leicht hätte auch er dem Grimm Saurebs zum Opfer fallen können, ohne diesem Meister der Zauberei zu erklären, wer er war und was er wollte. Immer noch irrte Peth durch die Straßen – seit er dem Mob aus der Schenke hatte entkommen können. Er hatte sich davon genährt, was er im Abfall in den Gassen hatte finden oder von den Märkten hatte stehlen können. Nun war wieder Nacht und die Stadt still. Streifen patrouillierten durch die Straßen – Soldaten, die immer noch Tusuths Befehl folgten, obgleich Tusuth bereits tot war. Keldum und seine Kohorte waren für die Bürger der Stadt von zweitrangiger Bedeutung. Ihre Hauptsorge galt dem Zorn der Dämonen, der zweifellos – wie Tusuth behauptet hatte – durch das Eindringen der Zamorier in verbotenes
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