Nacht der Dämonen
als wäre er eine Opfergabe auf einem Altar, und sie die Göttin, für die sie bestimmt war … Ihr Herz fing heftig zu schlagen an. »Ihr Götter«, murmelte sie. »Kann es sein …?«
Versuchshalber streckte sie die Hand aus und berührte den Stab. Er fühlte sich glatt und kühl an, selbst die Kristallenden, die so seltsam glühten. Sie hob ihn auf. Eine unbeschreibliche Kraft schien durch sie zu fließen.
Du kennst die Namen der Macht, Tiamu. So geh und bring Elkad das vorbestimmte Geschick. Kein Kriegerschwert sollst du dorthin tragen, doch ein wahres Racheschwert; nicht als Krieger wirst du gehen, sondern als Träger der Macht, so, wie die feuergekrönten Götter.
Auch diese Gedanken kamen als Erinnerung – aber wo hätte sie sie je gehört haben können?
»Ihr Götter – kann es wahr sein?«
Mit beiden Händen hob sie den Stab vors Gesicht, und seine Enden glühten sichtlich kräftiger. Das Gefühl der Macht verstärkte sich.
So geh und bring Elkad das vorbestimmte Geschick!
Uss übernahm an diesem Morgen den Befehl im Palast und wies die Mägde und einige Wachen an, Hefeis Leichnam für das Totenfeuer herzurichten. Dann sammelte er die Stadtväter und Höflinge um sich, die nicht als Geisel gehalten wurden, und besprach mit ihnen, wie es nun nach Hefeis Tod weitergehen sollte. Die Stimmung der Bevölkerung und auch die der Soldaten war so schwankend, dass der von ihm vorgeschlagene Coup leicht durchzuführen sein würde. Was die Geiseln betraf – nun, sie waren entbehrlich. Die Anwesenden stimmten schnell zu, denn sie alle sahen den Vorteil für sich. Uss unterbreitete den Vorschlag, dass die Stadtväter mit ihm als Oberhaupt regieren sollten, bis Ruhe in der Stadt eingekehrt war und eine dauerhaftere Lösung gefunden werden konnte. Dieser Vorschlag wurde einstimmig angenommen.
Dann befahl Uss den Tempeldienern, die Gongs zu schlagen, um das Volk auf eine Ankündigung vom Thron aufmerksam zu machen. Die Gongs dröhnten, und die derart gerufenen Bürger strömten auf den Stadtplatz. Uss und die Stadtväter warteten schweigend auf der Freitreppe, bis alle Versammelt waren. Vorsichtshalber hatte Uss alle entbehrlichen Palastwachen zum Schutz um sich geschart, als er nun Schweigen gebot, damit seine Ankündigung gehört werde.
»Bürger!« rief Uss. »Schweigen, wenn ich bitten darf! Ich habe eine ernste Ankündigung zu machen, und wir werden alle unseren ganzen Mut und unsere Entschlusskraft brauchen, um diese schwere Zeit zu überstehen. Ihr müsst wissen, dass unsere geliebte Gebieterin Hefei in der vergangenen Nacht eines schmerzhaften und grausamen Todes durch die Zamorier starb.«
Das empörte Brüllen der Menge schallte wie tausend Donnerschläge zu Uss empor. Er ersuchte erneut um Schweigen, trat ein paar Stufen tiefer und schwenkte die Arme. Langsam ließen die Entrüstungsschreie nach. Die Bürger und Soldaten unmittelbar vor dem Tempel drängten sich die Freitreppe hoch, um besser hören zu können.
»Hört!« schrillte Uss und fuchtelte mit den hageren Armen. »Wir brauchen nicht länger um unsere Gebieterin zu fürchten, denn die Zamorier können ihr nicht mehr anhaben, als sie bereits taten. Jetzt müssen wir sie rächen, die ihr Leben lang ihr Bestes tat, uns alle vom Erdvolk zu schützen. Wir müssen diesen Palast stürmen, den die zamorianischen Plünderer zu ihrem Stützpunkt gemacht haben, und sie alle töten. Was meint ihr dazu, Bürger von Elkad?«
Ein gewaltiges, zustimmendes Brüllen erschallte.
Gevem, der auf einer Brustwehr des Palasts alles mitangehört hatte, wandte sich an einen Bogenschützen neben sich und fragte: »Kannst du diesem Narren einen Pfeil durchs Herz schießen?«
»Es ist eine große Entfernung«, antwortete der Soldat, »aber ich habe Schüsse von ähnlicher Schwierigkeit schon geschafft.«
»Dann versuch es – fünf Silberstücke sind dein, wenn du triffst!«
Der Schütze legte einen Pfeil an die Sehne, schätzte einen Augenblick die Entfernung ab, dann hob er den Bogen. Keine Brise bewegte die Luft. Die Sehne sirrte, der Pfeil pfiff in einem kunstvollen Bogen in die Tiefe – und traf Uss genau zwischen den Schulterblättern. Der Hohepriester warf die Arme hoch und stürzte rückwärts.
»Die Teufel machen uns zum Freiwild!« brüllten die erregten Bürger. »Unsere Stadt ist verflucht!«
Von oben im Palast beobachtete Keldum das Geschehen. Gevem trat in sein Gemach.
»Dummkopf!« schnaubte Keldum. Er zog seine Rüstung an und schnallte sie
Weitere Kostenlose Bücher