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Nacht der Hexen

Titel: Nacht der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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auch nichts anderes getan. Der Zirkel hat eine Bibliothek. Die Bände stehen in einem Panzerschrank in Margaret Levines Haus. Wenn sie rechtzeitig einen Termin ausmachen, dürfen Hexen die Sammlung nutzen. Manche Bücher dürfen die Sammlung nicht verlassen; andere können ausgeliehen werden. Will man ein Buch ausleihen, muss man einen Leihschein ausfüllen und das Buch innerhalb einer Woche zurückbringen. Ich habe den Verdacht, die Ältesten haben nur deshalb noch keine Mahngebühren eingeführt, weil ich die Einzige bin, die die Bibliothek jemals in Anspruch nimmt. Die Zirkelmitglieder dürfen die Kammer nicht einmal betreten, um sich die Sammlung selbst anzusehen. Margaret hat eine Liste an der Tür hängen, anhand derer sie sich die Bücher aussuchen müssen. Nur die Ältesten und das Zirkeloberhaupt dürfen ins Innere.
    Drei Jahre zuvor war ich gerade dabei gewesen, Margaret ein besseres Handbuch über Kräuter abzuschwatzen, als jemand an die Haustür geklopft hatte. Sie war verschwunden, um aufzumachen, und hatte die Bibliothek unbeaufsichtigt gelassen. Es war, als hätte man ein Kind mit einem Schrank voller Süßigkeiten allein gelassen. Kaum war sie fort, war ich im Inneren. Ich wusste genau, was ich wollte: die verbotenen Formelbücher.
    Jetzt wollte ich Antworten. Mehr als das, ich hegte eine Hoffnung, eine sehr schwache Hoffnung, dass Savannah sowohl Recht als auch Unrecht hatte: dass sie Recht hatte im Hinblick auf die Existenz eines Grimoriums, das mir die Formeln erschließen würde, die ich bereits besaß, und Unrecht mit ihrer Überzeugung, dass der Zirkel es vernichtet hatte.
    Wir erreichten Margarets Haus, ein zweistöckiges Gebäude an der Beech Avenue. Ich entschied mich für die Hintertür, einmal aus Höflichkeit und dann, damit sie nicht in Panik geriet, weil ich im Angesicht von ganz East Falls auf ihrer Türschwelle auftauchte. Der Stadtparia zu sein hat seine Auswirkungen auf das normale gesellschaftliche Leben.
    Ich überredete Savannah dazu, mit Cortez draußen zu warten. Savannah kannte ihre Großtante gut genug, um zu wissen, dass Margaret mit mir allein unbefangener reden würde. Ich drückte auf den Klingelknopf. Eine Minute später spähte Margaret durch die Gardine. Es dauerte eine weitere Minute, bis sie sich dazu durchgerungen hatte, die Tür zu öffnen. Und selbst dann öffnete sie nur die innere Haustür und nahm die Hand nicht von der Klinke der Fliegengittertür.
    »Du solltest nicht hier sein«, flüsterte sie.
    »Ich weiß.«
    Ich riss ihr die Gittertür aus der Hand und trat ein. Unhöflich, ich weiß, aber wir hatten keine Zeit für Förmlichkeiten.
    »Wo ist Savannah?«, fragte sie.
    »In Sicherheit. Ich muss mit dir über ein paar Grimorien reden.«
    Sie zögerte und spähte über meine Schulter hinweg in den Garten, als hätte ich ein Gefolge von Presseleuten mitgebracht. Als sie niemanden sah, schloss sie die Tür und führte mich ins Wohnzimmer, das voller Bücherkartons stand.
    »Achte nicht weiter auf das Durcheinander«, sagte sie. »Ich habe die Spenden für den Bücherflohmarkt der Bibliothek sortiert. Eine nervenaufreibende Arbeit. Einfach fürchterlich.«
    Ich erwog, ihr einen Rollentausch anzubieten, sie eine Weile die schwarzen Messen und Widergänger übernehmen zu lassen, aber ich hielt klugerweise den Mund und begnügte mich mit einem halbwegs mitfühlenden Nicken.
    Margaret war die ehrenamtliche Leiterin der Bücherei von East Falls (geöffnet zwei Abende pro Woche und am Samstagnachmittag). Sie hatte diese Aufgabe übernommen, als sie als Bibliothekarin der East Falls High School in den Ruhestand gegangen war. Wenn ich jetzt den Eindruck erweckt habe, Margaret Levine sei eine kleine, ängstliche ältere Dame mit stahlgrauem Haarknoten und Drahtbrille, dann muss ich diesen Eindruck zurechtrücken. Margaret maß einen Meter siebenundsiebzig, und in ihrer Jugend war jede Modellagentur in Boston hinter ihr her gewesen. Mit ihren achtundsechzig Jahren war sie immer noch schön – die langgliedrige, anmutige Sorte von Schönheit, die ihre staksige Großnichte allem Anschein nach geerbt hatte. Margarets einziger äußerlicher Makel war die blinde Hartnäckigkeit, mit der sie sich das Haar pechschwarz färbte, eine Farbe, die an ihr umwerfend ausgesehen haben musste, als sie dreißig war, ihr jetzt aber etwas geradezu Clownshaftes gab.
    Die Einzige der stereotypen Bibliothekarinneneigenschaften, die Margaret besaß, war ihre Zaghaftigkeit. Nicht die

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