Nacht der Hexen
Greta mir geschenkt hat?« Savannah zog einen mit Amethysten besetzten silbernen Dolch aus dem Haufen von Geschenken neben ihrem Bett. »Eine neue Athame! Ist die nicht toll? Ich wette, die war teuer.«
»Sehr.«
»Kann ich das Amulett sehen, das Kristof dir gegeben hat?« Nast hatte Savannah gebeten, ihn mit dem Vornamen anzureden, bis sie sich mit einer Anrede wohl fühlte, die das Familienverhältnis beschrieb. Ein kluger Schachzug, wie ich zugeben musste.
Ich reichte Savannah die Kette hinüber.
»Cool. Ich wette, das ist antik.«
»Das ist es bestimmt.«
»Es war nett von ihm, findest du nicht? Dir auch ein Geschenk zu besorgen?«
Ich nickte.
Savannah gähnte und streckte sich auf dem Bett aus. »Ich bin dermaßen müde.« Sie hob den Kopf, um mich anzusehen. »Meinst du, die haben uns irgendwas in den Kakao getan?« Ich hätte am liebsten gebrüllt: »Ja! Verstehst du’s eigentlich nicht? Verstehst du nicht, was das Ganze soll? Die Geschenke, das Essen – das ist doch alles nur Schau!«
Aber in Wahrheit war ich mir da selbst nicht so sicher. Ja, es war vollkommen übertrieben. Und ausgesprochen unfair, weil ich ihm nichts entgegenzusetzen hatte. Aber war es wirklich nur Schau? Ich wusste es nicht, und so verlegte ich mich darauf, Savannahs Frage so ehrlich zu beantworten, wie ich konnte.
»Ich glaube, die haben uns wahrscheinlich irgendwas gegeben, damit wir einschlafen. Aber es fühlt sich nicht stärker an als ein gewöhnliches Schlafmittel. Baldrian, dem Nachgeschmack nach zu urteilen.«
»Na ja, ich weiß nicht, was mit dir ist, aber ich gehe jetzt ins Bett. Greta hat gesagt, morgen hat sie eine Überraschung für mich. Eine wirklich tolle Überraschung.«
»Da bin ich mir sicher«, sagte ich.
Jemand klopfte an die Tür. Als ich ihn hereinrief, streckte Olivia den Kopf ins Zimmer.
»Paige? Mr. Nast würde gern mit dir reden.«
Savannah stöhnte. »Kann das nicht bis morgen warten? Ich bin so müde!«
»Er will nur mit Paige reden, Liebes. Ich bleibe und leiste dir Gesellschaft, bis sie wiederkommt.«
Savannah setzte sich auf. »Ich will mitkommen.«
Olivia schüttelte den Kopf. »Dein Vater hat das sehr deutlich gemacht: nur Paige.«
»Aber –«
»Das ist okay«, sagte ich.
»Natürlich ist es das«, sagte Olivia. »Ihr passiert nichts, Savannah. Dein Vater ist sich vollkommen klar darüber, wie sehr du an ihr hängst.« Sie wandte sich an mich. »Mr. Nast ist im Wohnzimmer.«
Ich nickte und ging.
Niemand begleitete mich ins Erdgeschoss hinunter. Ich kam an Friesen und einem weiteren halbdämonischen Wachmann vorbei, von dem ich nur mitbekommen hatte, dass die anderen ihn Anton nannten. Beide warfen verstohlene Blicke in meine Richtung, ließen darüber hinaus aber nicht erkennen, ob sie mich beobachteten. Ich wusste trotzdem, dass sie es taten.
Trotz meines Vorsatzes, bei Savannah zu bleiben – ich gebe zu, eine gewisse Versuchung war da, als ich an der Haustür vorbeikam. Vorhin hatte ich an Flucht nicht einmal gedacht. Jetzt dagegen, als ich mich dem Wohnzimmer näherte, musste ich mich fragen, was Nast von mir wollte.
Ich wusste, dass Nast nicht vorhatte, mich mit nach Los Angeles zu nehmen. Solange ich am Leben war, war ich eine Gefahr. Keine große Gefahr, aber nichtsdestoweniger eine Gefahr. Wenn ich meinen Zweck erfüllt hatte, würde er mich umbringen lassen. Die Frage war nur – wann?
Als ich an der Tür vorbeiging, fragte ich mich, ob meine Nützlichkeit schon jetzt der Vergangenheit angehörte. Ich zögerte, aber nur eine Sekunde lang. Nasts Einfluss auf Savannah war noch nicht groß genug, als dass er riskieren würde, sie gegen sich aufzubringen. Ein paar Tage wenigstens hatte ich noch – genug Zeit, um mir einen Plan einfallen zu lassen.
Als ich die Wohnzimmertür aufstieß, war Nast bereits imRaum; er lachte über irgendeine Anekdote über einen Schamanen, die Sandford gerade erzählte.
»Paige, kommen Sie doch rein«, sagte Nast. »Setzen Sie sich, bitte.«
Ich tat es.
»Möchten Sie etwas trinken? Port? Rotwein? Brandy?«
»Rotwein wäre schön. Vielen Dank.«
Sandfords Augenbrauen gingen in die Höhe, als wäre er überrascht darüber, dass ich das Angebot annahm. Ich musste mich einfach auf meine Überzeugung verlassen, dass sie mich vorläufig noch nicht umbringen würden, und mich verhalten, als vertraute ich ihnen.
Nachdem Sandford Gläser mit Rotwein ausgegeben hatte, lehnte Nast sich in seinem Sessel zurück.
»Sie haben mich vorhin gefragt,
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