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Nacht der Hexen

Titel: Nacht der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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trat vor, die Arme ausgebreitet, um nach ihr zu greifen. Ich stürzte vor, um ihn aufzuhalten, und verfehlte ihn.
    »Nicht –!«, brüllte ich.
    Savannahs Hände flogen nach oben, und Nast wurde nach hinten geschleudert. Sein Kopf krachte gegen die Betonmauer. Seine Augen wurden weit und schlossen sich dann, während sein Körper auf dem Boden zusammensackte; der Kopf fiel ihm vornüber.
    Ich rannte zu ihm hin und tastete nach dem Puls, aber ich fand keinen. Blut tröpfelte von seinem zerschmetterten Hinterkopf und rann in Fäden an seinem Nacken und meinen Händen entlang.
    »O Gott. O Gott.« Ich rang nach Atem, zwang meine Stimme zur Ruhe. »Es ist okay, Savannah. Es wird okay sein. Du wolltest das nicht, das weiß ich.«
    Sie hatte wieder mit dem Singsang begonnen. Sie hatte die Hände erhoben und zu Fäusten geballt, den Kopf gesenkt, die Augen fest zugekniffen. Ich versuchte die Formel zu verstehen, aber die Worte kamen so schnell, dass sie fast unverständlich waren. Mir war klar, dass sie etwas beschwor, aber was –?
    Und dann fing ich ein Wort auf, ein einzelnes Wort, das mir die Erklärung lieferte.
Mutter
. Savannah versuchte den Geist ihrer Mutter zu beschwören.
    »Savannah«, sagte ich, wobei ich die Stimme leise und sanft hielt. »Savannah, Liebes? Ich bin’s. Paige.«
    Sie sprach weiter, wiederholte die Worte wieder und wieder wie in einer Endlosschleife. Mein Blick fiel auf ihre Hände, wo ich etwas rot blinken sah. Blut rann an ihren Handgelenken hinunter, als ihre Nägel sich in die Handflächen gruben.
    »Oh, Savannah«, flüsterte ich.
    Ich bewegte mich in ihre Richtung, die Hände vorgestreckt. Ich war nur noch ein paar Zentimeter von ihr entfernt, als ihre Augen sich plötzlich öffneten. Sie waren ausdruckslos, als sehe sie eine beliebige Gestalt oder eine Fremde. Sie schrie etwas und schlug sich mit den Händen gegen die Seiten. Die Füße wurden unter mir weggerissen, und ich segelte gegen die gegenüberliegende Wand.
    Ich blieb auf dem Boden, bis sie zu ihrer Beschwörung zurückgekehrt war. Dann richtete ich mich auf die Knie auf.
    Von hier aus fiel das Licht aus dem Kellerflur auf Savannahs Gesicht und glänzte auf den Tränen, die ihr über die Wangen strömten und ihr T-Shirt durchnässten. Die Worte flogen von ihren Lippen, mehr hervorgestoßen als gesprochen; sie gingen nahtlos von einer Formel zur nächsten über, sprangen von Sprache zu Sprache in einem verzweifelten Versuch, die richtige Methode zu finden, um den Geist von Savannahs Mutter heraufzubeschwören.
    »Oh, Baby«, flüsterte ich und spürte, wie meine eigenen Augen sich mit Tränen füllten. »Du armes Kind.«
    Sie hatte sich solche Mühe gegeben, ein Leben zurückzulassen und ein anderes zu beginnen, hatte alles getan, um sicheiner neuen Welt anzupassen – einer Welt, bevölkert von Fremden, die sie nicht verstehen konnten und wollten. Jetzt war selbst diese Welt in Trümmer gegangen. Jeder hatte sie verlassen, sie im Stich gelassen, und jetzt versuchte sie verzweifelt, die eine Person zurückzurufen, die immer für sie da gewesen war. Und dies war das eine, das sie niemals würde tun können.
    Savannah konnte jeden Dämon des Universums heraufbeschwören, ohne je ihre eigene Mutter zu erreichen. Sie mochte versehentlich die Geister der Familie auf dem Friedhof gerufen haben, aber ihre Mutter, die Hunderte von Meilen entfernt in einem unbekannten Grab begraben war, würde sie nicht finden. Wenn derlei möglich gewesen wäre, dann hätte ich versucht, Kontakt zu meiner eigenen Mutter aufzunehmen, trotz aller moralischen Einwände gegen ein solches Beginnen. Wie oft während des vergangenen Jahres hätte ich sie gern gerufen, um sie um Rat, um Unterstützung, um was auch immer zu bitten – um einfach mit ihr zu reden?
    Ich spürte, wie eine Woge meines eigenen Kummers über mich hinwegging, wie meine eigenen Tränen über einem Schluchzer aus mir herausbrachen und den Damm überfluteten, den ich so sorgfältig errichtet hatte. Wie anders alles verlaufen wäre, wenn meine Mutter da gewesen wäre. Sie hätte mir sagen können, wie ich mit dem Zirkel umgehen musste, hätte sich für mich einsetzen können. Sie hätte mich aus dem Gefängnis holen und mich nach dem höllischen Nachmittag in dem Bestattungsinstitut trösten können. Wäre sie da gewesen, wäre alles anders gekommen. Ich hätte all das nie so fürchterlich verkorkst!
    Ich war nicht bereit gewesen – weder für Savannah noch für die Führung des Zirkels

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