Nacht der Seelen - Armintrout, J: Nacht der Seelen
ich hielt den Atem an, während ich mich fragte, ob Ziggy sterben würde oder die Verwandlung kurz vor der Vollendung stand. Die linke Hälfte des Herzens fiel zurück und drückte auf die Lunge, dann stellte es die fehlende rechte Hälfte von selbst wieder her. Allerdings ist die rechte Hälfte des Vampirherzens im Gegensatz zur rechten Hälfte des menschlichen Herzens mit weichen Dornen bewachsen und schlägt in einem eigenen seltsamen Rhythmus. Eine lange lilafarbene Vene schlängelte sich von der rechten Seite aus an den anderen Organen vorbei, bis sie aus dem Blickfeld verschwand. Ich nahm an, dass sie zum Magen führte, wie ich auf der Abbildung im Sangrinarius sehen konnte. Ich unterdrückte das Schaudern, das die Erinnerung an diese schlimme Illustration bei mir hervorrief,und schaute dabei zu, wie die restliche Hälfte von Ziggys menschlichem Herz seine fehlende linke Hälfte wiederherstellte. Diese Seite hatte nicht diese bösen dunklen Dornen. Für einen kurzen Moment hörte sie auf zu schlagen. Die Venen, die sie mit den Blutgefäßen verbanden, rissen sich los, und nur aufgrund seiner eigenen Erinnerung fing das Herz wieder zu schlagen an, transportierte allerdings kein Blut. Es war nur ein geisterhaftes Schlagen des Herzens. Das war das einzig Menschliche, was Bill noch in seiner Brust verblieb. Vor meinen Augen schnurrte der Perikard, der Beutel um Herz und Lunge, zusammen. Auch das Sternum, sein Brustbein, wuchs ganz von selbst wieder zusammen, nur die Haut darüber nicht. Genau dort hatte die Heilkraft von Ziggys Blut ihre Grenze erreicht. Ich musste ihn wohl oder übel zunähen.
„Wann wird er aufwachen?“, frage Ziggy, als ich noch einmal nach den Nadelführungen griff.
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich kann es dir nicht sagen. Bei mir dauerte es zwei Monate, bis ich vollständig verwandelt war, weil ich keine Nahrung zu mir genommen hatte. Er wird nicht ganz und gar Vampir sein, solange er kein Blut trinkt. Vielleicht solltest du ihm Blut von dir geben, damit der Heilungsprozess schneller abläuft.“
„Du solltest ein Krankenhaus für Vampire eröffnen.“ Max schien wütend. Er stand daneben und schaute mir über die Schulter, während ich arbeitete. Er konnte es nicht lassen, wenig hilfreiche Kommentare abzugeben und leise vor sich hinzumurmeln, wie verrückt ich sei. „Nicht, dass dich jemand würde aufhalten können. Zumindest nicht mit rationalen Argumenten oder gesundem Menschenverstand.“
Ein Krankenhaus für Vampire. Na, das war mal eine Idee, die man sich durch den Kopf gehen lassen konnte. Ich verschobdiese Überlegungen auf später, wenn ich ausgeschlafener war. „Ich muss los und mich um Nathan kümmern.“
„Und ich muss den Wagen waschen, damit niemand kommt und nach dem Blut und den Haaren fragt, die am Kühlergrill kleben“, gab Max schroff zurück, sprang die Treppe hinab und schlug die Tür hinter sich zu.
Ich ließ ihn gehen. Es flogen sowieso viel zu viele Gedanken durch mein überlastetes Gehirn, da hatte ich keine Lust, auch noch mit Max zu streiten. Er würde schon allein darüber hinwegkommen.
Nathan lag immer noch so da, wie wir ihn gebettet hatten. Wir hatten sein Laken auf das halb gemachte Bett gebreitet. Das Laken, in das er eingewickelt war, hatte sich mit der rosafarbenen Flüssigkeit aus weißen Blutkörperchen und getrocknetem Blut aus seinen Wunden vollgesogen. Ich musste ihn davon befreien, bevor es an seinem gehäuteten Körper festwuchs.
Die plötzliche Einsicht, dass ich ihn allein gelassen hatte, um Bill zu helfen, versetzte mir einen Schock. Irgendwie steckte wohl doch noch ein wenig von einer Ärztin in mir. Ich hatte demjenigen geholfen, der meine Hilfe am dringendsten gebraucht hatte, und darauf vertraut, dass Nathan in der Zwischenzeit nicht sterben würde. Ich hatte wie auf Autopilot gehandelt, denn hätte ich in dieser Situation mit kühlem Kopf überlegt, wäre ich dieses Risiko nie eingegangen.
Verdammt, wenn ich einen klaren Kopf gehabt hätte, dann hätte ich einem halb verwandelten Menschen kein Vampir-Herz eingepflanzt.
Während ich diese Gedanken beiseite schob, denn ich wollte nicht, dass Nathan sie in diesem Moment hören konnte, holte ich eine große Rührschüssel aus der Küche und füllte sie mit brühend heißem Wasser. Dann suchte ichalle sauberen Waschlappen zusammen, die ich finden konnte. Wie durch ein Wunder hatten die Vampire, die die Wohnung verwüstet hatten, den Wäscheschrank links liegen gelassen.
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