Nacht der Seelen - Armintrout, J: Nacht der Seelen
ich nicht wusste, warum ich es getan hatte; dass ich gar nicht wusste, was ich tat, dass ich mir doch bewusst war; dass ich immer noch ein mit Fehlern behafteter Mensch war, der sich als Vampir ausgab; dass ich mich in einem Körper befand, der viel zu viel Kraft und Fertigkeiten besaß, aber keinen Kompass, der mich auf den rechten Weg lenkte.
„Du hast es getan, weil du sie hasst“, sagte er, als der Schmerz nachließ und sich sein Körper wieder etwas beruhigt hatte. „Du kannst dich selbst anlügen, aber mich nicht. Du hast sie so sehr gehasst, dass du ihr etwas antun wolltest,was sich nie wieder rückgängig machen ließ.“
„Du hast recht.“ Ich spülte den Waschlappen in dem mittlerweile rosafarbenen Wasser und wrang ihn aus. „Ich habe sie tatsächlich gehasst. Aber das war keine geplante Rache, okay? Ich habe hier nicht tagelang herumgesessen und mir überlegt, wie ich es anstelle. Und ich bin nicht hingegangen, um … ihre Seele zu essen. Ich bin in das Haus gekommen, um dich zu holen.“
Er streckte einen Arm aus, um mein Gesicht zu berühren. „Du hättest mich dort lassen sollen.“ Seltsamerweise hatte Dahlia die Haut auf der Vorderseite, und nur dort, abgezogen. Sie war schon wieder halb zusammengewachsen.
Ich schlug seine Hand beiseite, und es war mir egal, ob ich ihm wehtat. Verdammt, ich hoffte, dass es ihm wehtat. „Das ist ein tolles Dankeschön, weißt du? Bill ist fast gestorben. Wir sind alle fast gestorben. Und du schaffst es noch nicht mal, ein wenig dankbar zu sein?“
„Für nichts?“ Er war nicht wütend, er wollte auch nicht streiten. Nathan machte einfach eine Feststellung. „Ich werde sterben.“
„Nein. Vielleicht nicht.“ Mir fiel nichts ein, was ich hätte tun können, um seine Heilung zu beschleunigen oder seine Schmerzen zu lindern, aber ich wusste, dass ich nicht ohne ihn leben konnte. „Ich finde einen Weg, wie ich das hier hinbekomme. Lass mich dich jetzt erstmal verbinden. Und hör auf, vom Sterben zu reden. Ich habe verdammt noch mal zu viel durchgemacht, um dich zurückzuholen.“
Trotz seiner Schmerzen lachte er. „Das ist überhaupt nicht eigennützig, oder?“
„Mein Egoismus ist genau das, was dich retten wird.“ Dann arbeitete ich schweigend weiter, weil es nichts mehr zu sagen gab und ihn Small Talk nur erschöpft hätte.
Als die Wunde sauber war, ging ich in die Küche, um Frischhaltefolie zu holen. Ich brauchte etwas, das nicht an der Wunde kleben blieb, wenn ich den Verband wechselte. Ich hatte ja gesehen, wie gut das mit dem Laken funktioniert hatte. Ich nahm die Folie mit ins Schlafzimmer. Im Vorbeigehen warf ich einen Blick auf Ziggy, der immer noch neben dem schlafenden Bill saß.
Ich schnitt die Folie in Stücke, die groß genug waren, um Nathans Brust der Breite nach zu bedecken. An drei Ecken befestigte ich sie mit Pflaster. Vorsichtig klebte ich die Ränder der Folien aneinander, bis ich bei seinen Hüften angelangt war. Dann wusste ich nicht weiter. Seine Beine hatten vom Hüftgelenk bis zu den Knien keine Haut mehr. Ich bandagierte sie ebenfalls mit der Folie, dann kümmerte ich mich um die Stellen, die noch nicht verbunden waren.
Aus welchen Gründen auch immer, hatte Dahlia nichts mit seinen Genitalien angestellt. Sie hatte es versucht, erklärte mir Nathan durch die Blutsbande. Aber sie hatte nicht den Mut, es zu tun.
Bei dem Gedanken fing ich fast an zu würgen. „Man dankt Gott für die kleinen Gefälligkeiten, oder?“
Er nickte bitter. „Aber sie hat es versucht. Glaube mir, sie hat es versucht.“
Ich wollte es nicht wissen. „Ich glaube, was ich bei deinen Hüften machen muss …“ Ich sah weg, denn bei fraglichen Hüften schien der weiße Knochen durch die Muskeln, wo Dahlia zu tief geschnitten und Muskelfasern entfernt hatte, „… zieh einfach eine Unterhose an. Wahrscheinlich klebt sie fest, aber sonst kannst du dich gar nicht bewegen.“
„Ich will ja keinen Marathon laufen“, murmelte er, während ihm die Augen vor Erschöpfung zufielen. „Tu, was du tun musst.“Ich ging hinüber zu den Schubladen, die durcheinander geworfen worden waren, als die Truppe des Souleaters die Wohnung durchsucht hatte, und fand eine frische Unterhose. Der Gummibund hätte ihn in der Hüfte, wo er keine Haut hatte, eingeengt, also nahm ich eine Schere aus dem Verbandskasten und schnitt ihn ab. Dasselbe machte ich mit dem Saum an den Beinen. Die eine Seite zerschnitt ich ganz, damit es einfacher war, Nathan die Hose
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