Nacht der Seelen - Armintrout, J: Nacht der Seelen
verflechtet. Ich wusste, dass etwas nicht stimmen konnte.
Bevor er etwas sagen konnte, hörte ich von oben einen Rumms und jemanden gewaltig fluchen.
Da ist jemand in der Wohnung, schrie ich Nathan praktisch über unsere Verbindung ins Ohr. Langsam ließ der
Druck seiner Hand auf meinem Mund nach.
Ich weiß. Deshalb habe ich dir ja gesagt, du sollst still sein. Ich gehe nachsehen. Er ließ mein Gesicht los und schlug die Bettdecke zurück. Aufgrund des schmalen Lichtstrahls, der durch die schweren Vorhänge fiel, konnte ich ahnen, dass es noch mitten am Tag sein musste. Max’ Wohnung war extra so angelegt, dass es auch bei Tag so dunkel wie in einer Grabkammer war, so gut war sie vor unerwünschtem Sonnenlicht geschützt.
Sei vorsichtig, warnte ich Nathan. Als ob man vorsichtig sein konnte, wenn man einem Eindringling in seiner Wohnung nachstellte. Aber wenigstens trug Nathan eine Waffe.
Verdammt. Er trug keine.
„Nathan!“, flüsterte ich ihm hinterher in der Hoffnung, dass wer oder was ihn auch immer nervös machte, mich nicht hören würde. Leider hörte auch Nathan mich nicht. Wahrscheinlich war er schon die halbe Treppe hinaufgeschlichen. Ich verdrehte die Augen, stand auf und zog mir die Jeans an, die auf dem Boden lag. Ich muss lächerlich ausgesehen haben, mit meinem Seiden-Nachthemdchen über der Jeans. Gott sei Dank befand ich mich ja nicht auf einer Modenschau. Aus der Schublade des Nachtschranks zog ich einen Holzpflock. Hast du nicht etwas vergessen?, fragte ich ihn gereizt durch die Blutsbande, denn ich wollte Nathan spüren lassen, wie genervt ich davon war, dass ich seinetwegen das kuschelige Bett verlassen musste. Ich wünschte mir, dass ich die Angst, die ich hatte, damit verschleiern konnte.
Du meinst, außer mir eine Hose anzuziehen?, witzelte er. Er fürchtete sich ebenso wie ich und versuchte, es mit einem Scherz zu überspielen.
Wir hatten in dem Zimmer geschlafen, in dem ich mit Max gewohnt hatte. Damals war der Bannspruch, den wir ausgesprochen hatten, um Nathan aus den Fängen seinesSchöpfers zu befreien, völlig aus der Kontrolle geraten. Nein, das stimmte nicht ganz. Der Fluch hatte großartig funktioniert. Nur unsere Beziehung ging danach drunter und drüber. Ich war mit Max fortgegangen, um mein Leben wieder aufzuräumen, nur – und das schien der Fall zu sein, seitdem ich ein Vampir geworden war – schien sich die übersinnliche Welt nicht um ein Liebesdrama zwischen zwei Menschen zu kümmern. Nathans Schöpfer, der Souleater, der Seelenfresser, war immer noch da draußen und versuchte, zu einem Gott zu werden, um die Welt zu seinem persönlichen Futtertrog zu machen.
Auch wenn ich schon einige Zeit in dem Penthouse gewohnt hatte, kannte ich mich in der Wohnung immer noch nicht gut genug aus, um im Dunklen sicheren Schrittes herumzulaufen. Die Wohnung war riesig, und wie das in riesigen Wohnungen immer so ist, stehen überall kleine teure Beistelltischen mit scharfen Ecken herum, auf denen sich zerbrechliche Dekorationsobjekte befinden, die das Potenzial bergen, mit einem unglaublichen Getöse hinunterzufallen. Die Gästezimmer befanden sich im ersten Stockwerk. Wer oder was in die Wohnung eingebrochen war, musste durch den Haupteingang in der zweiten Etage oder durch die Tür im Dachgeschoss gekommen sein. Ich tastete mich an der Wand entlang und hielt jedes Mal inne, wenn ich einen Lichtschalter oder den Rahmen eines Gemäldes unter meinen Fingern spürte. Es tat weh, als ich mit meinen Zehen an die unterste Stufe der Treppe stieß, die nach oben führte. Ich fragte mich, wie Nathan es geschafft hatte, den ganzen Weg zurückzulegen, ohne zu stolpern oder zu fallen. Langsam stieg ich die Treppe hinauf und hielt mich am Geländer fest, während ich mich zwang, den Wunsch zu unterdrücken, hinaufzurennen und bei jedem Schritt laut aufzutreten. Oben schien kein Licht. Ich musste einfach so langehochgehen, bis ich keine weitere Stufe mehr unter meinen Füßen spürte.
Oder bis ich etwas umstieß. Nathan drehte sich abrupt um, als ich mit ihm zusammenprallte. Er ergriff meine Arme, als wollte er mich zurückschubsen, aber er hielt inne, bevor ich ihm sagen musste, dass ich es war. Mach das nicht noch einmal, schimpfte er mit mir durch die Blutsbande.
„Tut mir leid“, flüsterte ich und reckte den Hals, um an ihm vorbei den Flur hinunterzusehen. Wir standen auf der obersten Stufe. Der Marmorboden in der Eingangshalle erstrahlte unter dem sanften Licht der Lampen, die auf
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