Nacht der Vampire
Ordnung kommen.«
»Sehe ich dich morgen?« fragte sie sehnsüchtig und zögernd, als hätte sie erst ihren Stolz überwinden müssen, um diese Frage zu stellen.
Duffy wollte sie nicht verletzen. »Ich kann’s wirklich nicht sagen. Ich hoffe es, andererseits halte ich es für klüger, Roxanne bei der ersten Gelegenheit aus der Stadt zu schaffen. Sobald sie aufwacht und die Leute rund um’s Haus sich verlaufen haben, möchte ich sie ins Auto laden und abreisen.«
»Aber .. . das könnte dann noch heute nacht geschehen?« hauchte es aus dem Hörer.
»Allerdings«, gab Duffy zu.
Eine Pause entstand. Duffy fühlte, daß sie zu verstehen begann: sie durften einander nicht wiedersehen.
»Tja, dann alles Gute, Duffy.«
Sie hingen auf.
Elend und unglücklich starrte Duffy aus dem Fenster. Das Zimmer war unbeleuchtet, und man konnte ihn von außen nicht sehen. Ein Großteil der Wartenden hatte sich verlaufen. Das war ein gutes Zeichen. Der schwüle Sommerhimmel hatte sich dunkelrot gefärbt. Falls die Leute vor dem Haus einen Überfall planten, warteten sie bestimmt auf den Einbruch der Nacht.
Mehr konnte Duffy selbst auch nicht tun. Es hieß warten.
14
Ihr Mund war ausgetrocknet. Sie hatte Durst. Das Verlangen nach Wasser -war die erste klare Empfindung, die ihr Denkvermögen langsam aktivierte. Sie erinnerte sich, daß Duffy ihr ein Schlafmittel gegeben hatte. Vermutlich hatte das Medikament keine Nebenwirkung, aber trotzdem war das Erwachen jedesmal scheußlich, und es dauerte eine Weile, ehe sie wieder zusammenhängend denken konnte.
Sie stand auf und taumelte ins Bad. Da sie kein Glas fand, trank sie direkt vom Wasserhahn. Was war geschehen? Ach ja. Dieser Mann. Trotz der beinahe unkenntlichen Überreste hatte sie gewußt, daß es Zachary Hale gewesen war. Das Bild stand wieder lebhaft vor ihr, aber es bedrückte sie nicht. Noch hielt die Wirkung des Schlafmittels so weit an, daß sie abgestumpft war.
Sie tastete sich zurück ins Schlafzimmer und machte Licht. Es schien bereits Nacht geworden zu sein, oder doch zumindest Abend. Dann hatte sie also den ganzen Tag geschlafen. Sie fröstelte. Jetzt erst bemerkte sie, daß Duffy sie völlig nackt ins Bett gelegt hatte. Sie fiel wieder aufs Bett und hüllte sich in die Decke.
Vielleicht nickte sie auch wieder ein. Jedenfalls kam sie erst wieder zu sich, als sie Duffy sagen hörte: »Sind wir wieder da?« Murmelnd verlangte sie Kaffee. Duffy hatte vorausgesehen, was sie brauchen würde, und den Kaffee bereits mitgebracht. Sie hörte, wie er das Tablett auf dem Nachtkästchen abstellte und sich entfernte. Nach einigen Minuten zwang sie sich dazu, sich im Bett aufzusetzen, und griff nach dem Kaffee. Duffy hatte ihr eine ganze Kanne voll gebracht.
Nach der zweiten Tasse funktionierte ihr Verstand wieder wesentlich klarer. Dadurch kehrte aber auch das Bild der blutigen Leiche auf dem Rasen in abschreckender Deutlichkeit zurück.
Ich darf nicht daran denken, nahm sie sich vor und stand eilig auf. Sie mußte etwas tun, sich ablenken, um nicht von Entsetzen übermannt zu werden. Rasch lief sie ins Bad und duschte. Sofort mußte sie daran denken, daß sie im Morgengrauen im Bad erwacht war. Trotzdem zwang sie sich, die Brausekabine zu betreten. Nach fünf Minuten unter dem dichten Sprühregen fiel ihr das Denken zwar noch immer schwer, aber sie war doch einigermaßen wieder sie selbst.
Während sie sich abfrottierte, trank sie Kaffee. Dann zog sie ein neues Sommerkleid und ein winziges Höschen an. Als sie schließlich wieder Sandalen an den Füßen hatte und nach unten ging, wurde sie nur mehr durch eine leise Benommenheit an das Schlafmittel erinnert.
Duffy lächelte ihr unsicher zu. »Wie fühlst du dich?«
»Wie wenn ich zu lange geschlafen hätte.« Sie sah sich im Zimmer um. »Du hast die Fensterläden geschlossen!«
Er nickte. »Gleich nach Einbruch der Dunkelheit. Vorher hatte ich es nicht gewagt. Draußen lungerten Leute herum. Ich wollte nichts provozieren.«
Ihr Herz klopfte rascher. »Leute? Vor dem Haus?«
»Man liebt uns nicht übermäßig in Sanscoeurville«, grinste Duffy gequält. »Der Sheriff hatte sogar den ganzen Tag über einen Posten vor unserer Haustür stehen. Jetzt scheint er nicht mehr da zu sein. Vermutlich hat der Sheriff ihn abberufen. Aber es besteht sicher kein Grund zur Besorgnis.«
Je mehr die Wirkung des Schlafmittels nachließ und Roxannes Reaktionsvermögen sich normalisierte, desto tiefer drohte sie in einem Angsttraum
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