Nacht der Vampire
war. Jetzt erzählt man sich, daß jene Schreie ihr Wutgeheul gewesen seien, als sie sich auf ihn stürzte. Andere wieder behaupten, es seien seine Todesschreie gewesen. Aber das ist blanker Unsinn. Duffy hörte sie, lief hinaus und ... Tja, das ist alles. Er brachte sie ins Haus, gab ihr eine Spritze, um sie zu beruhigen, und verständigte die Polizei. Dann kam der Sheriff samt Verstärkung und Leichenwagen — und ganze Horden von Neugierigen.« »Können wir etwas für die beiden tun?«
»Kaum. Oder willst du dich vielleicht für sie auf die Barrikaden stellen? Nein, Duffy ist Arzt, also ist Roxanne bei ihm bestens aufgehoben. Wir selbst können gar nichts anderes tun als warten.«
»Worauf?«
Sie sahen einander an, und ihre Blicke verankerten sich. Ja, sie warteten auf etwas, das begriffen sie jetzt. Und sie hatten Angst, sich einzugestehen, was es war.
»Jetzt sind wir nur mehr vier«, sagte Ward schließlich mit belegter Stimme. »Sechs waren wir.« Er lachte unsicher. »Junge, was haben wir aber auch für gräßliche Schwüre abgelegt! Tod und Verderben für jeden von uns, der abtrünnig wird.« Wieder lachte er. »Die Resultate sind jedenfalls sehr eindrucksvoll.«
Plötzlich begannen beide zu lachen und konnten minutenlang nicht aufhören. Endlich beruhigten sie sich, wischten sich die Tränen aus den Augen, kicherten noch mehrmals krampfhaft und verstummten.
»Natürlich ist das alles heller Wahnsinn. Und ich glaube weder an Werwölfe noch an Geheimbünde oder Schwüre und Flüche und eine Vergeltung des Teufels, aber . . .« Ward begann wieder zu lachen.
Jeanne grinste ihn an. »Ja?«
»Aber. . . aber . . .« Ward schüttelte sich vor Lachen. Sein Gelächter steckte Jeanne an.
»Ja?«
»Aber . . .«
»Ja? Ja?«
Ward lachte so heftig, daß er beinahe vom Stuhl fiel.
»Aber . . . ich möchte bloß wissen, wer als nächster stirbt.«
Der Abendhimmel war eine Symphonie in Blut. Grellrote und purpurne Streifen wechselten einander ab wie Höllenfeuer. Die wenigen Wolken versprachen keine Abkühlung. Sie blitzten blendend im Abendlicht, als wollten sie sich dem Beschauer ins Gehirn brennen.
Duffy machte kein Licht. Mit dem langsam verblassenden Himmel kroch die Dunkelheit ins Haus. Duffy lief ruhelos auf und ab. Kaum hatte er sich gesetzt, sprang er wieder auf und begann unruhig herumzuwandern. Er lief zum Balkon und sah nach Roxanne. Sie hatte kaum ihre Stellung verändert. Vorsichtig darauf bedacht, selbst nicht gesehen zu werden, spähte er aus dem Fenster. Unverändert standen die Wartenden in kleinen Gruppen beisammen und ließen das Haus nicht aus den Augen. Vielleicht hatte sich ihre Zahl gegenüber dem Tag etwas verringert. Manche waren verschwunden und von anderen abgelöst worden. Sie lagen auf der Lauer. Und warteten.
Vor dem Haus hatte ein neuer Posten Wache bezogen. Er vertrat sich die Beine und gähnte.
Das Telefon läutete.
Erstaunlicherweise hatte es keinen einzigen Drohanruf gegeben. Anscheinend hatten die Bewohner Sanscoeurvilles diesmal ernstere Absichten und verzettelten sich erst gar nicht an wirkungslose Telefonate. Am Morgen waren der Sheriff und einige Reporter da gewesen. Gegen Mittag war Ward Douglas erschienen. Später hatten weitere Journalisten versucht, mit Duffy zu sprechen. Abgesehen davon aber hatte Duffy sich völlig von der Umwelt abgeschlossen.
Jetzt griff er nach dem Hörer und fragte sich, ob es wieder ein besonders hartnäckiger Journalist sei.
»Hallo?«
»Duffy . . .«
Er erkannte Lilys Stimme sofort. Sie mahnte ihn an seinen Verlust. Der Traum mit Lily war zu Ende.
»Ich wußte nicht recht, ob ich dich anrufen sollte oder nicht. Hoffentlich ist bei dir alles in Ordnung.«
»Ja, ja. Ich freue mich, daß du anrufst.«
»Kann ich etwas für dich tun?«
»Nein, nichts. Hier ist alles . . . ruhig.«
»Ich habe mit Ward und Jeanne gesprochen.«
»Dann weißt du also . . .«
»Ja. Wenn ich dir irgendwie helfen . . .«
Sie unterhielten sich flüsternd. Was sie sprachen, war Duffy gar nicht so wichtig. Ihm kam es nur auf Lilys Stimme an und darauf, daß er mit ihr reden konnte.
Sie bot ihm an, gleich nach Dienstschluß zu ihm ins Haus zu kommen. Sie schlug sogar vor, die Bibliothek sofort zu sperren und zu ihm zu fahren. Davon wollte er nichts wissen. Er war sich schmerzlich bewußt, daß er ihr Lebewohl sagte.
»Wenn du also wirklich meinst, daß ich nichts für dich tun kann. ..«
»Nein, wirklich nicht. Es wird schon wieder alles in
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