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Nacht der Versuchung

Nacht der Versuchung

Titel: Nacht der Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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etwas Unfeines und schob die Karre mit den vier Lederkoffern wieder zurück zum Bahnsteigausgang.
    Der Zug ruckte an, die Räder knirschten, irgendwo pfiff es, dann rollten die Wagen an Margit und Blankers vorbei aus der Halle, nach Westen, nach Calais, nach London.
    »In letzter Minute«, sagte Blankers und drückte die kleine quietschende Monika an sich. »Mein Gott, wenn ich diese Minuten zu spät gekommen wäre … wenn du woanders hingefahren wärest … Ich hätte die ganze Welt nach dir abgesucht, das glaube mir.«
    Margit lächelte schwach. In ihren Augen standen Angst und stumme Fragen nebeneinander.
    »Was nun?« fragte sie, als Blankers immer wieder sein Kind küßte und sich von den kleinen Händchen die Haare zerwühlen ließ.
    »Gib mir einen Kuß, Liebling.«
    Margit trat an ihn heran und küßte ihn auf den Mund. Es war ein scheuer, schneller, jungmädchenhafter Kuß, und sie wurde sogar rot dabei.
    »Du hast getrunken, Klaus …«, sagte sie leise.
    »Ja. Aus Kummer und Verzweiflung.«
    »Der Arzt hat es dir streng verboten.«
    »Was soll ich tun, wenn ich so einsam bin?«
    »Man kann dich wirklich nicht allein lassen.« Sie lächelte freier, in ihre Augen kam der alte Glanz zurück. Sie schüttelte den Kopf, hakte sich bei Blankers ein und atmete dann tief auf. »Ich werde von jetzt an immer um dich sein.«
    »Das ist gut, Liebes. Ich habe gemerkt, daß mir etwas fehlt, wenn ich dich nicht sehe.«
    Arm in Arm gingen sie zum Ausgang, wo der Gepäckträger wartete. Er hatte schon ein Taxi gerufen. Sie ist mit 'nem Taxi gekommen, und wenn er 'n Wagen bei sich hat, ist's besser, er läßt sich jetzt fahren. Der hat ja 'n gewaltigen Köm hinterm Knorpel.
    »Macht sechs Mark, die Herrschaften«, sagte er, als die Koffer eingeladen waren. »Die fünfzig Emm vorhin, das war gratis, nöch?«
    Blankers lachte, gab ihm zehn Mark und stieg in das Taxi. Der Gepäckträger schwenkte seine Dienstmannmütze und grinste. O Gott, wäre die Welt doch voller Besoffener, dachte er.
    »Wohin?« fragte der Chauffeur und stellte die Uhr ein.
    Blankers lehnte sich zurück und ließ die kleine Monika auf seinen Knien reiten.
    »Nach Blankenese«, sagte Margit, als Blankers nicht antwortete.
    »Nein!« Blankers beugte sich vor. »Nach Wulfbüttel!«
    »Wo ist 'n das?«
    »In der Lüneburger Heide.«
    Der Chauffeur stellte die Uhr ab und wandte sich um. »Für Witze ist die Zeit zuviel Geld. Steigen Sie aus, oder sagen Sie mir, wohin!«
    »Sie haben es ja gehört«, sagte Margit, und unendliches Glück schwang in ihrer Stimme mit. »Nach Wulfbüttel in der Lüneburger Heide. Wir haben dort ein Haus.«
    »Aber das kostet mindestens dreihundert Mark!«
    »Bitte.« Blankers holte aus der Brieftasche drei Scheine und reichte sie hin. »Und nun geben Sie Gas! Bei Dunkelheit ist es nicht gut, in der Heide zu fahren. Und übernachten können Sie auch in Wulfbüttel, auf meine Kosten!«
    Der Chauffeur nickte, schob die Trennscheibe zu und meldete sich bei seiner Zentrale ab.
    »Ich fahre in die Heide«, sagte er ins Mikrophon. »Ein verrückter Besoffener mit viel Geld und Frau und Kind. Bin morgen mittag wieder zu Hause. Ja, hat angezahlt. Dreihundert Piepen. Wie die heißen? Ich glaube, Blankers steht auf dem Kofferschild. Was? Ist Fabrikant? Bei euch bekannt? Kann ohne Sorgen fahren? Also denn, Kumpels, ahoi!«
    Sie fuhren schon eine ganze Weile, als Margit die müde Monika von Blankers' Schoß nahm und sie neben sich auf die Polster setzte. Das Köpfchen fiel zur Seite auf den Arm Margits, und dann schlief die Kleine und lächelte wie ein Engelchen.
    »Warum gerade Wulfbüttel?« fragte sie leise und lehnte den Kopf an Blankers' Schulter. Er legte den Arm um sie und drückte sie an sich.
    »Weil wir dort wirklich einmal wunschlos glücklich waren und es auch wieder sein wollen.«
    »Und alles, was geschehen ist, das …«
    »Pst!« Er legte auf ihre Lippen seinen Zeigefinger. »Nicht darüber sprechen. Es ist doch gar nichts gewesen.«
    Margit nickte und schloß selig die Augen. Sie fuhren die Chaussee an der Elbe hinunter, um auf die nächste Autobahnauffahrt zu kommen. Hell sang der Motor.
    »Du – «, sagte Margit wieder nach einer langen Zeit Schweigens.
    »Ja, Liebes?«
    »Wissen die anderen, wo wir sind?«
    »Keine Ahnung haben die.«
    »Sie werden uns suchen.«
    »Und ob!« Blankers lachte jungenhaft. Das Lachen, das Margit so liebte. »Aber ich glaube, Vater und Mutter haben jetzt selber genug miteinander zu tun. Wir

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