Nacht der Versuchung
werden aus Wulfbüttel anrufen und sagen: Meine Lieben, als himmelhochjauchzende Verliebte empfehlen sich Margit und Klaus und bitten darum, nicht gestört zu werden, bis die zweiten Flitterwochen um sind!«
»Und deine Fabrik, die dringenden Termine?«
»Das ist mir im Augenblick alles wurscht! Ich weiß, daß es mehr gibt als Geldverdienen.«
Er zog den Kopf Margits zu sich und küßte sie auf den Mund. Und dieses Mal war es ein anderer Kuß … er strahlte bis zum Herzen, machte atemlos und unendlich glücklich.
*
Während Margit und Klaus in der Heidekate lebten wie Einsiedler und die letzten Winterstürme über das einsame Land heulten; während Klaus im Schuppen hinter dem Haus Holz hackte und Margit die Öfen und Kamine heizte, kochte und mit Monika auf dem Dielenboden Pferd und Reiter spielte; während sie sich in den Armen lagen und in den langen, wachen Nächten immer wieder spürten, wie dumm sie in den hinter ihnen liegenden Monaten aus falscher Scham gewesen waren, fand in Hamburg, fast unter Ausschluß der Öffentlichkeit, das von Dr. Hochheuser beim Landgerichtspräsidenten durchgesetzte Schnellverfahren gegen Baurat Bernhardt statt.
Die Anklage lautete auf Tötungsversuch, aber selbst der Staatsanwalt plädierte am Ende der zweitägigen Verhandlung, in der der ganze Komplex Fred Pommer noch einmal aufgerollt wurde, für Freispruch. Man brauchte gar nicht erst auf die psychiatrischen Gutachten zweier internationaler Kapazitäten zurückzugreifen. Der Freispruch erfolgten wegen ›Anerkennung eines Affekttunnels, in dem der Angeklagte nicht mehr über seinen eigenen Willen verfügte‹.
Der Prozeß gegen Ursula Fürst sollte erst frühestens im Frühjahr stattfinden. Auch hier reichten die besten Anwälte Schutzschriften ein, füllten die Aktendeckel mit dicken Schriftsätzen und untersuchten drei Professoren Ursula auf ihren Geisteszustand.
»Ich würde es wieder tun!« sagte sie immer wieder. »Ich habe Margit, mich, viele andere Frauen, ja die Welt von einem Teufel befreit. Man sollte mir dankbar sein.«
Das zeugte zwar nicht von einem Rechtsgefühl, gab aber den Psychiatern die Möglichkeit, von einer Rache-Psychose bei Ursula Fürst zu sprechen. Jeder, der die Akte las, gab der Angeklagten im geheimen recht. Pommer hatte dieses Ende verdient, auch wenn man Selbstjustiz sonst grundsätzlich ablehnte.
»Wir pauken sie heraus!« sagte der Staranwalt Professor Dr. Sewers, den der Reeder Fürst zur Verteidigung gebeten hatte. »Sie wird natürlich verurteilt werden, das ist ganz klar, denn sie hat nun mal geschossen. Aber auf dem Gnadenwege ist viel zu erreichen, gerade bei dieser eindeutigen Lage.«
Margit und Klaus kamen aus dem Heidehaus erst zurück, als Dr. Preußig durch Anrufe und Telegramme flehentlich darum bat, sich um die Verträge zu kümmern, die man immer wieder hinausgezögert hatte. Nun mußten sie abgeschlossen werden, oder das Geschäft ging verloren.
»So unbezahlbar das Glück ist, Liebes«, sagte Blankers, als Dr. Preußig telegrafiert hatte: Katastrophe kaum noch aufhaltbar, wenn Sie nicht kommen! »Es geht hier um einige Millionen und um das Schicksal meiner Arbeiter und Angestellten. Wir müssen zurück in das schreckliche Leben.«
So kamen sie zurück, gesund und fröhlich, zwei Menschen, die das Ziel ihres Lebens erobert hatten: die alles verzeihende Liebe.
Gleich am nächsten Tag, als Blankers eine große Direktionsbesprechung hatte, durfte Margit dank der Vermittlung von Polizeipräsident Dr. Hochheuser mit Ursula in der U-Haft sprechen. Es war ein trauriges Wiedersehen, als sie sich im kleinen Sprechzimmer gegenübersaßen, getrennt durch einen kahlen Tisch und bewacht von einer dicklichen Wachtmeisterin.
»Es ist schön, daß du mich besuchen kommst, Margit«, sagte Ursula und spielte mit der Tüte Obst, die Margit ihr mitgebracht hatte und die von der Beamtin erst untersucht worden war. »Glaubst du, daß ich ›Lebenslänglich‹ bekomme?«
»Aber nein!« Margit stockte der Atem. Lebenslänglich hinter Gittern, in einer kleinen, schmalen Zelle … da würde Ursula irrsinnig werden. Gerade sie, die wie keine andere ihrer Freundinnen ein so freies Leben geführt hatte. »Wer sagt denn das, Uschi?«
»Vielleicht ist es eine gerechte Strafe.« Uschi Fürst blickte an Margit vorbei gegen die ölgestrichene, kahle Wand. »Die Strafe dafür, daß ich Fred wirklich geliebt habe. Immer habe ich ihm geholfen, mit Geld, mit Kleidung, ich habe ihn sogar einmal
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