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Nacht der Versuchung

Nacht der Versuchung

Titel: Nacht der Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Direktion, Herr Blankers. Wir hätten sonst völlig im dunkeln getappt – oder Herr Bernhardt wäre wirklich aufgrund seines Geständnisses verurteilt worden.«
    »Aber ich habe doch geschossen!« stotterte Bernhardt. »Ich habe doch nicht geträumt. Ich habe geschossen!«
    »Sicherlich, Hubert.« Dr. Hochheuser lachte leise. »Wann hast du das letzte Mal die Pistole gebraucht?«
    »Im Krieg. Beim Übungsschießen. Gott sei Dank trat nie ein Ernstfall ein.«
    »Aber außer dem Übungsschießen auf Scheibe und Pappkamerad gab es damals auch Geländeübungen, bei denen mit Platzpatronen geschossen wurde. Mit sogenannter Übungsmunition. Wieviel Munitionsrahmen hast du gehabt?«
    »Fünf«, stotterte Bernhardt.
    »Und du hast die Pistole, als du zu Pommer gingst, mit einem Rahmen geladen, der Übungsmunition enthielt, also Platzpatronen. Du hättest Pommer höchstens mit Pulverdampf zum Niesen bringen können.«
    »Das … das ist nicht wahr …«, stammelte Bernhardt. »Das habt ihr so gedreht. Ich habe Pommer doch …«
    »Sie hatten eine 7,65er Pistole, Herr Baurat«, sagte Kommissar Holden gelassen. »Der Einschuß aber stammt von einer 6,35er. Wir fanden die Waffe im Pferdestall, unter der Futterkiste. Ursula Fürst hat außerdem alles gestanden und uns alle Einzelheiten erzählt. Was sagen Sie nun?«
    »Nichts!« sagte Bernhardt. »Gar nichts.«
    »Du bist unschuldig wie ein Kind, Vater.« Blankers trat auf Bernhardt zu und legte ihm die Hand auf die zuckende Schulter. »Du weißt gar nicht, wie ich mich freue.«
    »Es bleibt die Mord- oder besser Tötungsabsicht.« Dr. Hochheuser winkte ab. »Aber das ist kein Problem. Das Gericht wird die seelische Verfassung und Verzweiflung Huberts anerkennen. Auf jeden Fall ist eines klar: Mit sofortiger Wirkung ist der Haftbefehl aufgehoben. Du bist frei, Hubert.«
    »Frei?« Baurat Bernhardt riß sich den Schlips herunter und den Kragen auf. »Ich brauche nicht mehr in das Gefängnis zurück?«
    »Aber nein! Lisa …«
    »Ach ja, sie ist ja schon da.« Bernhardt legte den Kopf auf die Sessellehne und schloß die Augen. »Und ich hatte mich schon damit abgefunden, im Zuchthaus zu sterben …«, sagte er kaum hörbar.
    »Und statt dessen fährst du jetzt erst einmal in Urlaub. Mit deinen Kindern!« Polizeipräsident Dr. Hochheuser lachte und schüttelte den Kopf. »Nicht zu glauben, wie kompliziert und doch so einfach das Leben ist!«
    *
    Während niemand dabei war, als sich Lisa und Hubert Bernhardt glücklich in den Armen lagen, telefonierte Blankers noch einmal von einem Münzapparat aus nach Hause.
    »Wann ist meine Frau mit dem Taxi abgefahren?« fragte er den Diener und sah auf seine Uhr. »Vor knapp einer Stunde? Aber dann müßte sie ja längst auf dem Präsidium sein!«
    »Präsidium?« wiederholte der Diener, als habe er falsch gehört.
    »Ja, natürlich, da sind wir ja und warten auf meine Frau.«
    »Verzeihung, Herr Blankers, da muß ein Irrtum vorliegen.« Die Stimme des Dieners war unpersönlich wie immer, aber doch um einen Hauch aufgeregter. »Die gnädige Frau ist mit vier Koffern abgefahren.«
    »Mit was?« schrie Blankers. Er mußte sich an die Wand der Telefonzelle lehnen. Der Schock nach all dem Vorausgegangenen war zu groß.
    »Mit vier Koffern. Ich nehme an, daß die gnädige Frau verreisen will. Ich hörte ja auch, wie sie zu dem Taxichauffeur sagte: Zum Hauptbahnhof.«
    »Hauptbahnhof! Haben Sie das deutlich gehört. Nicht St. Pauli oder so …« Das Herz klopfte Blankers bis zum Hals. Sie will mich verlassen, dachte er. Sie will mit dem Kind fort. Sie flüchtet zum letztenmal vor der Wahrheit. O mein Gott, und dabei ist doch alles jetzt so klar, so unkompliziert. Es gibt keine dunklen Schatten mehr, es gibt keine Vergangenheit, nur noch eine Zukunft, einen neuen Anfang für uns alle. Und jetzt, gerade jetzt …
    »Die gnädige Frau hat ganz deutlich Hauptbahnhof gesagt«, riß die Stimme des Dieners Blankers aus seinen jagenden Gedanken.
    »Und das war vor einer Stunde?«
    »Ungefähr.«
    Blankers hängte ein. Vor einer Stunde. Es war hoffnungslos. Jede Minute verließen Züge den riesigen Bahnhof, da konnte Margit unmöglich noch anzutreffen sein. Aber er rannte trotzdem zum nächsten Taxenstand, sprang in einen Wagen und ließ sich zum Hauptbahnhof bringen. Der Fahrer musterte Blankers kritisch, als dieser bezahlte. Ein so feiner Herr und solch eine Alkoholfahne, dachte er. Am hellichten Tag! Wenn unsereiner das macht, heißt es gleich: Du

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