Nacht der Versuchung
Haus. Ich habe eine Pulle kaltgestellt; als hätte ich so etwas geahnt.«
Margit hakte sich bei ihrem Vater unter und sah ihn aus den Augenwinkeln an. »Ich wußte gar nicht, welch ein großer Heuchler du bist«, sagte sie leise, als sie ins Wohnzimmer gingen. »Du hast alles gewußt. Womit kann ich dich bestrafen?«
»Indem du mich schnell zum Großvater machst«, lachte Hubert Bernhardt. »Ich bin jetzt über fünfzig und will noch etwas haben von meinen Enkeln.«
Die Hochzeit wurde ein kleines gesellschaftliches Ereignis in Hamburg. Fünfzig Gäste waren im Saal eines bekannten Hotels zum Essen geladen, vom Ersten Bürgermeister der Hansestadt bis zum Oberstaatsanwalt. Babs Heilmann schickte ein Telegramm aus Whiteshyer, einem Landschloß der Lords of Beamham, und schrieb: »Liebe Margit, wie machst du das? Ich habe schon so oft love gesagt, aber keiner beißt an. Ich drücke dich in Gedanken an mich und wünsch dir alles, alles Gute. Babs.«
Ursula Fürst war Brautjungfer. Sie sah Margit mit großen, fragenden Augen an, als diese in ihrem weißen Spitzenkleid mit dem langen Schleier aus dem Schlafzimmer kam und zur Hochzeitskutsche geführt wurde. Margit bemerkte diesen Blick nicht, wie im Traum erlebte sie den Trauakt, das Orgelkonzert, das Violinspiel, den Chor, den Blankers bestellt hatte, hörte die Worte des Pfarrers, aber verstand sie nicht, wechselte die Ringe und wußte nur eins: Ich werde ihm eine gute Frau sein. Ich werde mit ihm leben, wie es sein soll: Im Namen Gottes, bis der Tod uns scheidet.
In der Kirche, ganz hinten unter dem Turmbogen, stand als Zuschauer auch eine junge, elegante Frau, die ihr Gesicht hinter einem Schleier verbarg. Sonja Richartz.
Als das Paar vor dem Altar auf die samtenen Kissen niederkniete und der Pfarrer ihnen die Ringe an die Finger steckte, huschte ein böses Lächeln über ihr Gesicht. Auch der Segen eines Pfarrers ist nicht endgültig, dachte sie. Bis der Tod euch scheidet … das ist eine abgedroschene Phrase. Das Leben hält immer Überraschungen bereit, und es gibt welche, die schärfer sind als ein Schwert. Für sie ist das Band der Ehe dünner als ein Seidenfaden.
*
In dieser Nacht geschah das Entsetzliche.
Während in dem Hotelsaal noch die Hochzeitsgäste über Mitternacht hinaus auf das junge Paar anstießen, waren Klaus Blankers und seine junge Frau Margit heimlich weggegangen und zur Blankers-Villa an der Elbchaussee gefahren.
Ein breites, weißes, schloßähnliches Haus, um die Jahrhundertwende von einem Reeder erbaut, immer wieder modernisiert und von neuem mit Schätzen aufgefüllt. Die Residenz eines Millionärs. Ein Traumhaus, wie man heute sagt.
Ein Diener öffnete, als der Wagen vorfuhr, die breite Glastür, begrüßte die gnädige Frau mit einer tiefen Kopfneigung und fuhr den Wagen weg in die Garage.
Das große Haus schien bis auf den Diener leer zu sein. Die Mutter Klaus Blankers' war nicht zur Hochzeit gekommen. Seit vier Monaten lebte sie in einer Spezialklinik in Amerika, wo man eine Hüftgelenkversteifung behandelte, an der sie seit zwei Jahren litt. Sie hatte einen langen, herzlichen Brief geschrieben und Gottes Segen für das junge Paar gewünscht. »Eure Hochzeitsreise führt zu mir!« schrieb sie noch. »Sonst bin ich so böse, wie eine böse Schwiegermutter sein kann.« Man sah, wie schwer es ihr fiel, im fernen Amerika die Hochzeit ihres einzigen Sohnes nur in Gedanken miterleben zu können, aber die Behandlung durfte auf keinen Fall unterbrochen werden.
Seit dem Tode ihres Mannes war Klaus ihr ganzer Lebensinhalt geworden, ihr einziger, wirklich persönlicher Besitz. Und wie alle Mütter von Söhnen war sie eifersüchtig auf ihre Schwiegertochter, die ihr jetzt den Jungen wegnahm. Aber das las man nicht in dem Brief aus Amerika.
Im Schlafzimmer waren die Betten aufgedeckt. Auf einem weißen Tisch stand ein Sektkühler mit einer Flasche französischen Champagners. Zwei geschliffene Gläser blitzten unter der Kristallampe. Um den Sektkühler herum Schalen mit Gebäck, Obst, Petits fours, kandierten Früchten.
Nach einem langen Kuß löste Klaus Blankers den Schleier aus Margits hochgesteckten Haaren, goß die Gläser voll und reichte Margit ein Glas hin. Bevor sie anstießen, sahen sie sich lange in die Augen.
»Margit«, sagte Klaus leise, »meine Frau!«
»Klaus«, Margit sah ihn über den Glasrand an, durch ihren Körper flog ein Zittern, »mein Mann!«
Als er später das Licht löschte, als er sich zu ihr beugte, die
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