Nacht der Versuchung
Bettdecke von ihrem Körper zog, als seine Hände sie liebkosten, seine Lippen ihren Körper abtasteten, die Sturzflut des Verlangens und Gebens über sie hereinbrach und ihre Körper zueinander strebten, stürzte das ganze Elend wieder über Margit herab und begrub sie.
Von dem Augenblick an, da seine Hände sie umfaßten, als sie seine Haut an der ihren spürte, als das Gewicht seines Körpers sie niederdrückte und der Vulkan in ihr ausbrach, waren die Monate weggewischt, war es wieder jene Nacht in der Ferienhütte an der Ostsee, hörte sie sich sagen: »Fred … ich bitte dich … nein, Fred … Ich will nicht … ich will nicht … Es ist zu hell … der Mond … Fred, ich habe das nicht gewollt … ich – ich – o Fred – « Und dann das ersterbende Röcheln, die wegschwimmende Gegenwehr, das plötzliche Lustempfinden, dieses fremde Wesen in der eigenen Seele, das vor Beglückung stirbt, unersättlich ist, wie ein Raubtier sich gebärdet, glühend und feuerspeiend explodiert und dann – wie schrecklich – in eine müde, träge Sattheit und Zufriedenheit hinabgleitet …
Mit geschlossenen Augen, mit blutig gebissenen Lippen, hinter denen sie ihre Aufschreie vermauerte, erlebte Margit ihre Hochzeitsnacht, wurde sie die Frau Klaus Blankers, verlor sie – wie er glaubte – ihre Mädchenhaftigkeit.
Bis zum Morgendämmern lag sie wach neben ihm und hörte auf seine tiefen, gleichmäßigen, starken Atemzüge.
So wird es immer sein, dachte sie. So wie in dieser Nacht. Ihr werden Hunderte solcher Nächte folgen. Ein ganzes Leben lang. Er wird neben mir liegen und schlafen, mit tiefem Atem, zufrieden und glücklich.
Sie warf den Kopf herum und drückte verzweifelt das Gesicht in die Kissen.
Ich habe ihn betrogen, schrie es in ihr. Ich habe ihn schon in der Hochzeitsnacht betrogen. Nicht ihn, meinen Mann, habe ich gefühlt, sondern den anderen, den großen Schatten hinter mir.
Die unvergeßliche Nacht ist wieder auferstanden.
Und sie wird immer wiederkommen.
Immer und immer wieder.
*
Für Sonja Richartz war mit der Hochzeit Blankers' der Gedanke an eine doch noch erträgliche finanzielle Zukunft durchaus nicht abgeschlossen. Im Gegenteil – nachdem sie ihre Gegenspielerin und Siegerin gesehen hatte, reizte es sie, in das so sichtbar sonnige Leben dieser Liebenden Blitz und Donner zu schicken. Man muß um einen Mann wie Blankers kämpfen, dachte sie. Und wenn Frauen kämpfen, soll man nicht nach den Mitteln fragen, die sie anwenden. Es ist wie bei den Politikern: der Erfolg entscheidet.
Sonja Richartz begann dort, wo sie die schwächste Stelle des Glücks vermutete: beim Vorleben Margits. Obwohl sie annahm, außer einigen Schülerlieben nichts Aufregendes zu finden, denn Margit war das brave Kind eines guten bürgerlich-gehobenen Hauses, beauftragte sie doch das Detektivbüro ›Wahrheit‹ mit der Aufgabe, herumzuhören und festzustellen, was Margit Bernhardt alles schon gemacht und getrieben hatte.
Schon nach vier Tagen meldete Herr Julius Stämpfle von der ›Wahrheit‹ eine erstaunliche Tatsache. Er erzählte sie nüchtern-geschäftlich, aber Sonja Richartz verschlug sie den Atem.
»Selbstmordversuch?« stotterte sie. »Im Hafen? Ins Wasser gesprungen? Aber davon hat ja nie jemand etwas erfahren.«
»Es wurde auch totgeschwiegen.« Man hörte Julius Stämpfle an, wie stolz er war, es trotzdem erfahren zu haben. »Ich habe einen guten Freund bei der Polizeipressestelle … nur deshalb mit größter Diskretion … Sie verstehen!«
»Kein Wort wird über meine Lippen kommen.« Sonja Richartz tupfte sich erregt über die Lippen und hielt den Telefonhörer krampfhaft fest. »Was wissen Sie sonst noch, Herr Stämpfle?«
»Nur das. Alles andere ist Fehlanzeige. Das übliche. Dieses Fräulein Bernhardt muß ein Mustermädchen gewesen sein. Bis zu dem Selbstmordversuch. Ich bin sofort hinausgefahren zu der Mole, von der sie in den Hafen gesprungen ist. Scheußliche Gegend. Und ich habe den Kerl verhört, der sie rausgeholt hat. Ein Hein Focke. Lagerarbeiter bei Steenfels & Co. Hat mich dreißig Mark gekostet, ehe er ausgepackt hat.«
»Das Geld bekommen Sie ja wieder. Nun erzählen Sie schon!« Sonja Richartz zitterte am ganzen Körper. Sie ahnte, daß jetzt, in den nächsten Sekunden, der Hebel in ihre Hand gedrückt wurde, mit dem sie das junge Glück Blankers' aus den Angeln heben konnte.
»Dieser Hein Focke hat sie also aus dem Wasser gezogen. Sie hat um sich geschlagen, hat sich wie der Teufel
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