Nacht der Versuchung
Künstlerauge nicht entgehen konnte.
Hohe Palmen säumten das Wasser der Oase, dahinter erstreckte sich ein Gebiet, das mit spärlichem, stachligem Gras bewachsen war. Mariella sah nun, dass der holprige Weg, über den sie tags zuvor gekommen war, vermutlich ein ausgetrocknetes Wadi war.
Die Stille ringsum wirkte nahezu hypnotisierend.
Eine Bewegung auf der anderen Seite der Oase weckte Mariellas Aufmerksamkeit, und sie erstarrte, als sie Xavier erkannte. Er trug jetzt nicht mehr das traditionelle Gewand, sondern Jeans und T-Shirt und inspizierte anscheinend eine nach der anderen die Palmen am Ufer des Wasserbeckens. Er hatte Mariella noch nicht bemerkt, und sie wich unwillkürlich tiefer in den Schatten des Zeltes zurück.
Xavier wandte sich jetzt von den Bäumen ab und blickte über die Oase hinweg. Er beschattete mit der Hand die Augen und betrachtete prüfend den Himmel.
Xavier war zufrieden. Der Sturm hatte die Wurzeln der Palmen nicht gelockert. Es gab eigentlich keinen Grund, nicht ins Zelt zurückzukehren und weiterzuarbeiten. Und ziemlich bald würde er auch dazu gezwungen sein. Augenblicklich befanden sie sich nämlich genau im Auge des Sturms. Sobald dieses also weitergezogen war, würde der Wind mit noch größerer Gewalt zurückkehren.
Doch Xavier konnte noch nicht zurück ins Zelt. Nicht, solange er immer noch sie vor Augen hatte, wie sie da im Bett lag … in seinem Bett.
Ärgerlich zog er sich das T-Shirt und dann rasch auch alle restliche Kleidung aus und watete entschlossen ins Wasser.
Mariella stand wie gebannt da. Mit angehaltenem Atem ließ sie den Blick bewundernd über Xaviers männlich schönen, nackten Körper gleiten und hatte alle Mühe, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. Als Künstlerin hatte sie den menschlichen Körper ausgiebig studiert, hatte Florenz besucht und voller Ehrfurcht die Werke der großen Meister bestaunt. Was sie nun aber sah, war ein unvergleichliches Meisterwerk der Natur.
Xavier watete immer tiefer in das Wasser der Oase. Er bewegte sich völlig unbefangen. Seine gleichmäßig gebräunte Haut verriet, dass es für ihn durchaus normal war, hier in der Oase nackt zu baden. Mariella konnte den Blick nicht von ihm wenden. In diesem Körper hatten sich Kraft und Anmut in vollendeter Harmonie gefunden. Heißes Verlangen packte sie und verdrängte alle künstlerischen Aspekte. Ihr kribbelte es in den Fingern, diese samtene Haut zu berühren, diesen prachtvollen Männerkörper zu erkunden … Langsam, unaufhaltsam glitt ihr Blick hinunter zu seinem knackigen Po … Wie würde es sein …? Mariella erschauerte heftig und hatte selber das Gefühl, in ein Bad der Gefühle einzutauchen, das so sinnlich und gefährlich war, dass sie Angst hatte, darin zu versinken.
Nach und nach verschwand Xavier im Wasser, bis nur noch Kopf und Schultern zu sehen waren. Schließlich tauchte er ganz ein, und Mariella hielt unwillkürlich den Atem an, bis er einige Meter weiter wieder auftauchte und mit kraftvollen Zügen vom Ufer wegschwamm.
Mariella war schockiert, entsetzt, wütend, fühlte sich furchtbar verletzlich und gleichzeitig von einem unbändigen Verlangen ergriffen, das sie völlig verunsicherte. Verzweifelt versuchte sie, etwas Ordnung in dieses Chaos zu bringen. Sie konnte doch unmöglich Xavier begehren! Aber die Gefühle, die in ihr aufwallten, waren unmissverständlich!
Der Gedanke, einen Mann zu begehren, der ihre Schwester derart verletzt hatte … einen Mann, den Tanya immer noch liebte, entsetzte sie zutiefst. Das war ein Verrat an allem, worauf sie bislang so stolz gewesen war. Es war einfach unvorstellbar, genauso wie es unvorstellbar war, dass sie, eine Frau, die sich eingebildet hatte, ihre Gefühle restlos im Griff zu haben, sich derart hinreißen lassen konnte.
Unglücklich schloss Mariella die Augen. Los, gib es schon zu! befahl sie sich insgeheim. Du bist so scharf auf ihn, dass er hier und jetzt mit dir machen könnte, was er wollte, wenn er nur wollte. Du würdest es nicht nur zulassen, du würdest ihn dazu ermutigen, ihn verführen … Verzweifelt schüttelte sie den Kopf, versuchte buchstäblich, diese quälenden Gedanken abzuschütteln, und wandte sich blindlings um. Sie hatte nicht registriert, dass der Wind wieder aufgefrischt war und unheilvoll die Wipfel der Palmen rüttelte und der aufwirbelnde Sand erneut die Sonne bedrohlich verdunkelte.
Sobald sie wieder im Zelt war, eilte sie erst einmal in den Schlafraum, um nach Fleur zu sehen. Zwar
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